Dienstag, 27. Januar 2015
FUNDUS
BLONDIE

One Man Show


Ort: ein Aufnahmestudio
Zeit: frühe Neunziger

Personen:
Blondie alias Maxim
Stimmen aus dem Off





1. Szene

BLONDIE
Hallo Deutschland
Nein wirklich nicht
Das sagen Se jetzt ja alle.
Hi
Hi you
Hi you there
Hi you there everybody
Na das klingt natürlich erst recht beschissen
Also -
´N abend.
Ich bin Blondie
Das heißt
ich war Blondie
Früher
vor dieser Epidemie mit diesen Witzen.
Sie erinnern sich doch:
Wieviel Männer braucht eine Blondine,
um ne Glühbirne in ´ne Fassung zu drehen?
Kann denn die Schlampe nicht im Dunkeln kochen?
Na ja.
Oder den, den kennen Sie vielleicht auch:
Wie geht der kürzeste Judenwitz?
Auschwitz!
Nicht wahr. Den kennen Sie schon
Kennt ja jeder -
wie Weihnachten
Na ich fand das geschmacklos.
Und da hab ich mir dann eben gesagt:
Hör zu junge Frau:
blond, schön und gut,
damit haste jetzt fünfundzwanzig Jahre nicht schlecht gelebt,
aber jetz iss genug.
Ab jetzt Blondie, Mädel,
gehste als Mann,
Naja.
Ganz so einfach gings natürlich nicht.
Ich war ja ein bildhübsches Ding,
eigentlich,
also schon geil auch,
doch doch,
ich darf das ja sagen
nachträglich
und kann das ja auch beurteilen
jetzt.
Doch schon
Ich habs gebracht
Wirklich!
Ich war n´Feger!
Na ja,
irgendwann hätte die Zellulite natürlich
auch mich erwischt, aber
also ohne Witz jetzt:
Geschlechtsumwandlung
das iss schon was anderes, als nur mal kurz zum Frisör, oder sich vom Typenberater sagen lassen, daß man vielleicht besser doch besser nicht lila zur schicken Fielmann trägt. Das ist schon ne echt folgenschwere
Entscheidung.
Der Grund,
warum ich mich dann doch entschlossen habe,
also,
die Operation machen zu lassen,
und zu diesem Arzt gegangen bin,
zu dem -
Wie heißt der noch mal?
Warten Sie mal: (...)
Also,
daß ich dann doch eines Tages
bei dem in der Praxis angerufen habe,
also bis ich soweit war,
daß ich mir eines Tages sagte,
nee Mädel,
jetzt ist Schluß mit Blondie,
so gehts nicht mehr weiter,
jetzt mußte eine Linie ziehen,
jetzt läßte aus dir ´nen Mann machen,
also,
das lag tatsächlich an dieser Epidemie
also an diesen Witzen dauernd.
Na hören Se mal.
Ich meine,
ich
als Blondie
kann ja schlecht Witze über Auschwitz machen.
Ja, nee!
Wo hätte das denn hingeführt
am Ende? -
Na ja, zu (...) natürlich.
Vielleicht auch zu SAT 1,
weil -
Doch,
iss wahr.
SAT 1,
da wär ich wohl gelandet
als Blondie.
Ich kannte ja den Freddy ganz gut.
Noch aus seiner Zeit mit Babs.
Und Leo Kirch steht ja auf Boris und Babs, und auf
die neue Rechte.
Ein bißchen Krieg,
ein bißchen Faschismus
und so.
Na da wär schon was gegangen,
gerade als Blondie.
Na ja.
der Fredy und die Babs.
Affenzirkus!
Ich wollte ja sowieso Schauspiel machen,
und nicht mein Leben lang als dummes Huhn
neben irgendeinem Gottschalk
auf der Bank sitzen.
Na ja.
Schnee von gestern.
Jetzt bin ich Maxim.
Hübscher Kerl,
Gerade mit dem ganzen Putz,
der Schminke und so.
Doch
Find ich gut

STIMME AUS DEM OFF
Maxihim? Kannste mal? Wir wollen mal anfangen bitte.

BLONDIE
Na endlich. Sag mal, warum dauert denn das so lange?
Ich führ hier ja schon Selbstgespräche

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VERWANDLUNG I

2. Szene "Auschwitz mit SS"


STIMME AUS DEM OFF
Und los!

Auftritt Blondie

BLONDIE
Im Deutschen Theater
Hören Sie mal!
Im Deutschen Theater
Aber erzählen Sie das keinem!
Die Deutschen Theater, müssen Sie wissen,
Wie soll ich sagen?
Es ist unglaublich eigentlich,
also -
Sagen wir mal so.
Woher glauben Sie, haben die Deutschen Theater, eigentlich ihre Perücken?
Gute Frage?
Nicht wahr?
Auschwitz,
meine Damen und Herren.
Ja doch!
Es ist viel schlimmer, als Sie sich das denken können.
Auf den deutschen Bühnen haben die Schauspieler auch heute noch
die Haare auf dem Kopf, die die Deutschen seinerzeit -
Muß ich noch mehr sagen?
Die die Deutschen damals,
seinerzeit,
Sie wissen schon,
in der Lampenschirmzeit -
Wurde ja alles gebraucht.
Ab dreiundvierzig totaler Krieg, Ersatzwirtschaft
und Hans Albers benötigt plötzlich
ein Toupet -
Also -
Woher nehmen, wenn nicht -
Die Zahngoldgeschichte kennen Sie.
Von der Perückengeschichte wissen Sie natürlich besser nichts.
Die fürchterlichen Lampenschirme.
Mein Gott ja,
wirklich fürchterlich,
entsetzlich,
selbstverständlich.
Zahngold war nicht eben leicht zu kriegen im Krieg und
Pferdehaar ist in der Herstellung mit mehr Kosten verbunden,
als man gemeinhin denkt.
Und jetzt stellen Sie sich vor,
einen Don Carlos,
oder sagen wir
Karl Moor,
oder
Herrn Voss als
Wittgenstein
und ein Neuenfels will, daß er
die Perücke trägt,
nicht wahr.
Schon sehen Sie ein Stück aus Auschwitz auf der Bühne.
Sie applaudieren natürlich, wie immer,
ahnungslos.
Zuschauen, Entspannen, Nachdenken,
wie es sich gehört, nicht wahr.
Und der gute Voss trägt die requirierten Judenhaare -Pardon.
Herr Voss bedankt sich artig. Sie applaudieren weiter, vielleicht sogar
Szenenapplaus,
mitten im Stück
Stellen Sie sich das doch bitte einmal vor!
Sagen wir,
Wittgenstein -
greift sich an den Kopf.
Rauft sich die Haare.
Dazu ein Bonmot
Der kann das perfekt, der Voss!
Da klatschen Sie natürlich.
Oder sagen sich, sehr gut,
der Mann mit der Perücke.
Ganz was anderes als Juhnke, nicht wahr.
Und selbst wenn Juhnke,
also er selbst,
mit einer alten Perücke
direkt vor Ihnen auf der Bühne stehen würde,
und Sie sich sagen,
mein Gott!,
was ist denn mit dem Juhnke los?
Ist der auf Entzug?
Sieht ja entsetzlich aus,
DIESE HAARE
Du liebe Güte, nein.
Auf Auschwitz werden Sie nicht kommen.
Daran denkt kein Mensch.
An die Perücken aus Auschwitz denkt kein Mensch.
Und schon gar nicht im Deutschen Theater.
Eher schon Lampenschirme.
Die fallen einem vielleicht manchmal ein,
wenn man sich kratzt,
weil die Haut juckt vielleicht, nicht wahr, gnädige Frau?
Oder die Zahngoldgeschichte.
Das ist einem auch oft bewußt.
Kann sich ja neuerdings auch
nicht mehr jeder Mensch leisten:
Zahngold.
Als selbstständiger Kassenpatient
Denkt man also doch wieder häufiger dran.
Also nicht nur man, sondern auch Frauen, nicht wahr?.
Nicht oft,
aber
manchmal schon.
Hab ich Recht?
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BLONDIE
Und?

STIMME AUS DEM OFF
Danke, sehr schön.Gestorben. Pause
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VERWANDLUNG II

BLONDIE
Was meinst du?
Ach so.
Brandschutz.
Tschuldigung, alles klar.
Rauchverbot,
ganz vergessen.

Bin durch, Mann, echt.
Ich sags dir.
Total durch den Wind,
ehrlich.
Aber, die sind ja hier alle durch´n Wind.
Alle auf ´m Deutschlandtrip.
Richtig durchgeknallt.
Schreckliche Mode.
Aber was soll man machen?
Was meinst du?
Ja genau.
Irgendwoher muß der Rubel ja rollen.
Geschenkt wird einem nirgends was.
When the going gets tough, the tough gets going,
hat Mutter immer gesagt.
Na ja.
Bevor ich putzen gehe!
Außerdem lernt man hier ne Menge dazu.
Na ja.
Politisches Theater ist ja eigentlich nicht so mein Fach.
Übrigens:
Weißt du wie man Auschwitz schreibt?
Mit SS oder einfachem S? (...)

(Intro aus: BLONDIE - One Man Show, Stück, UA 1998, K41, MUC, AO, all rights reserved)

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