Montag, 20. September 2010
Zwei kurze Fußnoten gegen das rasende Verblöden mit und ohne kleinkalibriger Sportpistole
zur großen Frage, was denn nu das blöde Ding eigentlich ist, das nach Goethe angeblich die Welt im Innersten zusammenhält und worum sich auch ohne Goethe angeblich naturgemäß alles dreht, nämlich: DER WERT

1)
Es ist der große Fehler der Freunde der „Arbeitswertlehre“, dass sie im Wert nicht die Indienstnahme der gesellschaftlichen Arbeit – dieses notwendigen „Stoffwechsels des Menschen mit der Natur“ – für einen ihr fremden und feindlichen Zweck erkennen, sondern, den bürgerlichen Ökonomen ähnlich, den Wert für eine hilfreiche Abstraktion halten, nämlich für die Gleichsetzung verschiedener Arbeiten und Arbeitsprodukte zum Zweck ihrer leichteren Vergleichbarkeit und Addition. Ihnen gilt die fürs Eigentum verrichtete Arbeit als eine ganz vernünftige Weise, die für die Gesellschaft notwendige Arbeit zu organisieren; kritikwürdig finden sie nur, dass die bürgerliche Welt nicht zugeben mag, dass der ganze schöne Wert aus Arbeit stammt. Marx’ Kritik der wertschaffenden Arbeit verstehen sie als deren Rehabilitation und Aufwertung und setzen dem bürgerlichen Standpunkt den proletarischen Stolz der „Schöpfer allen Reichtums und aller Kultur“ entgegen, dass ihre Maloche die einzige und ganze Quelle des Reichtums sei. Aus dem Dienst, den die Arbeiterschaft dem Gemeinwesen leistet, leiten ihre politisch-ideologischen Fürsprecher ab, dass der „volle Arbeitsertrag“, der ihr zustünde, größer auszufallen hätte als der Lohn, den man ihr zahlt. Marx aber war kein Freund des echten Werts; er mochte den Arbeitern nicht dazu gratulieren, dass sie und nur sie den ganzen Wert schaffen. In seiner Kritik des Gothaer Programms (1875) tritt er einem entsprechenden Lob der Arbeit durch die damaligen Sozialdemokraten ausdrücklich entgegen: „Die Arbeit ist nicht die Quelle allen Reichtums“ – jedenfalls nicht, soweit nicht vom Wert, sondern vom materiellen Reichtum die Rede ist. Der hängt ebenso von Bedingungen der Natur wie vom Stand von Wissenschaft und Technik ab. „Die Bürger haben sehr gute Gründe, der Arbeit übernatürliche Schöpferkraft anzudichten“, setzt Marx hinzu: Sie sind die Nutznießer der Arbeit, die den Wert schafft. Ein sozialistisches Programm aber hätte sich solcher „bürgerlicher Redensarten“ zu enthalten (MEW 19, S. 15).]

2)
Marx greift zu allerlei verwegenen Bildern, um diese Subsumtion der Arbeit unter das kapitalistisch angewandte Eigentum, die Inkorporation ihrer Potenzen durch das Kapital, so kenntlich zu machen, dass auch der an jede marktwirtschaftliche Gemeinheit gewöhnte Verstand die „der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliche und sie charakterisierende Verkehrung, ja Verrückung des Verhältnisses von toter und lebendiger Arbeit“ (Das Kapital Bd. 1, MEW 23, S. 329) begreift: „Das Kapital ist verstorbene Arbeit, die sich vampyrmäßig belebt durch die Einsaugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt.“ (ebd. S. 247)

Nur so als schnuckliger Teaser am Rande, um zur Abwechslung vielleicht auch mal wieder wenigstens ein paar bleischwere Seiten lang etwas genauer mitzudenken, womit die kapitalistische Menschheit für gewöhnlich ihre Zeit totschlägt – und nicht nur ihre Zeit

Quelle: http://www.gegenstandpunkt.com/gs/10/2/gs20102039h1.html

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