Mittwoch, 21. März 2007
Professor Dr. C. O. Berzelmeier traute seinen Ohren

kaum, und auch sein etwas älterer Kollege zeigte sich nicht schlecht überrascht, als an einem milden Frühlingstag im Juno 1968 gegen 10.38 Uhr die Nachricht im Büro der Firma Kindergarten eintraf, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nun doch reelle Chancen haben würden, in absehbarer Zeit einen Menschen erfolgreich auf den Mond zu schießen. Was wohl der alte Heisenberg dazu sagen wird, fragte dann Berzelmeier und kratzte sich wie selbstvergessen an der Wange.

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Sehr geehrte Leserine,
dieser Beitrag ist Ihnen gewidmet. Er handelt zwar immer noch nicht von sportlichen nackten Männern, dafür sehen Sie ordentlich angezogene junge Männer, und das ist doch auch schon mal was. Und wenn das jetzt nicht das frauenfreundlichste war, was Sie in den letzten zwei Stunden gesehen haben, dann weiß ich auch nicht weiter. Oder sind Sie jetzt wieder enttäuscht? Bitte! Beachten Sie die Hosenträger! Und die Männer-ohne-Hosen-Sache betreffend wie gesagt: Geduld, Geduld

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So eine hellhörige Spieltruppe!
da wird die von der Leiden ihre helle Freude haben

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Die Buben
Darf ich sagen, dass die beiden Buben ganz bezaubernd sind. Gut, auch weniger komplexe Themen als Mondlandungen und Heisenberg hätten die zwei wohl in Wirrnis gestürzt. Zum Beispiel, wieso müssen wir Hosen (hoffentlich sind es Hosen) mit Trägern tragen oder was tun, wenn große Ohren aus der Mode kommen?

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Große Ohren,
habe ich da richtig gehört? Ohren? Sie meinen, die Buben hätten große Ohren? Wissens was, Gnädigste, da schaun Sie jetzt bitte noch mal genauer hin, und setzen, wenn´s sein muss Ihre Brille auf, dann werden Sie nämlich sehen: Diese Ohren sind nicht groß, die sind sinnlich! Die können gar nicht aus der Mode kommen. Und die Hosenträgerhosen für junge Burschen warn damals anno 68 das, was heut diese Baggie-Hosen sind, also diese ewig weiten Bund-unter-dem Arsch-Hosen, nämlich der letzte Schrei männermodemäßig. Nur haben wir die Dinger damals irgendendwann wegen der ersten bluejeans sozusagen an den Nagen gehängt, während die Burschen heutzutage ihre Himberbubentrachten auch noch mit sich rumtragen, wenn sie längst Ü 30 plus sind und ihre Kindheit längst verweht, sozusagen.

Und zurück zu den Ohren. Wie schauts denn bei Ihnen aus, wenn ich fragen darf, so ohrenmäßig, fast wär mir jetzt rausgerutscht ohrenrum. Aber das ziehe ich jetzt wohl besser zurück. Ich weiß schließlich was sich gehört. Und gleich nach der Kör-, Ohrengröße zu fragen ziemt sich bekanntlich nicht beim Plausch mit so älteren Damen, nicht wahr.

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Und noch was, Frau Leuwerik,
wie kommen Sie darauf, dass wir da keine Hosen anhaben könnten? Was denn sonst? Röckerl? Kleidchen? Es sind natürlich Hosen gewesen. Und zwar kurze Hosen in schwarz oder dunkelblauem Hosenstoff, wenn Sie es genau wissen wollen, sehr bequem. In unseren Kreisen haben alle Hosen angehabt, nie Kleiderl. Die mussten nur die vons anziehen. Stammen womöglch Sie aus solchen Kreisen, oder wie kommen Sie auf so eine adelige Idee, dass wir damals nicht in Hosen zur Arbeit gingen. Und wenn Sie eine von sein sollten. Gräfin? Baronin? Comtesse? Darf ich Sie Luise nennen. Prinzessin Liserl?, oder einfach nur – Liz? (Sie wissen schon Preussen, Napoleon, großes Kino, auch Ihre große Zeit?)

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Die Buben II
Das lässt ja jetzt ganz tief blicken. Wenn ich gewusst hätte, welches Problem die Ohren für Sie sind, hätte ich mich nie dazu geäußert. Auch dass Sie offenbar etwas Homoerotisches in der Kleidchen-Frage erkennen...
Und Liz ist o.k.

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Ich kann in der Kleidchen-Frage beim besten Willen nichts Homoerotisches erkennen
Um mal den Martin Kippenberger zu zitieren. Zweitens von welchen Ohren sprechen wir? Ihren? Meinen? Den anderen? Welche Ohren auch immer in Frage stehen, ich mag Ohren gern, ganz kurz gesagt, Liz.

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Also in Relation zu den Kindern haben die Ohren doch eine ganz normale Größe, find' ich.

Und wenn Sie, Herr Greatgate, glauben, Idiotie und degeneriertes Verhalten sei allein dem Adel vorbehalten, da irren Sie sich gewaltig.

Die Kinder in meinem Dorf träumen nachts von solchen Hosen, und auch von solchen Frisuren, denn aktuell haben die Buben im Kindergarten mindestens so lange Haare, wie die Mädel. Die Haare sind so lang, dass sie durch ihr Pony hindurch nicht erkennen können, was für Mürbse da in der Auslage von der Frau Bäckereitante liegen. (Insofern ist die Anfrage von Frau Leuverik doch berechtigt.) Und sie stolpern immer umher, in diesen Hängearschhosen, aber nur die Buben - wahrscheinlich können die bis zur Einschulung immer noch nicht laufen - und das alles ist oberunpraktisch und sieht auch noch völlig verblödet aus, aber was wollen sie machen, die Krutzen?
Irgendein Kollege (dessen Eltern vermutlich in den 70ern mit derartigen Frisuren nicht traktiert wurden, denn wer's einmal durch hat, dem reicht's) hat im Kindergarten mit dem Elend angefangen, und nun müssen's alle mitmachen, weil sie sonst nicht "angesagt" sind - und angesagt sein ist heute schon mit vier von immanenter Wichtigkeit.

Solche Probleme hatten die Herren auf dem Bild nicht, der linke, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, erinnert entfernt an einen ganz jungen Peter Kraus und hat seinerzeit bestimmt Mütterherzen im Sturm erobert.

...und die Hosen waren blau.
Immer.
Es gab auch schwarze, aber nur zu Beerdigungen und zu Hochzeiten und anderen traurigen Anlässen, und die waren dann immer lang.
Immer.

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Liebe petersilie, ich weiß jetzt nicht: Peter? Oder Silie?
Wenn ich raten müsste, würde ich jetzt einfach sagen Silie, und ich muss ja raten, also: Frau Silie, wie der frühe Peter Kraus ausgesehen hat, ist mir nicht parat, aber ich hoffe jetzt einfach, dass er nicht der Allergröbste war und sie niemanden beleidigen wollten, denn der links bin natürlich ich selber, der andere mein kleiner Bruder, ein Jahr jünger. Mein anderer kleiner Bruder noch mal drei Jahre jünger, war zur Zeit der Aufnahme noch gar nicht auf der Welt bzw. gerade in der Pipeline, wie die jungen Eltern heute so sagen. Er hat mir übrigens als Kind zum Verwechseln ähnlich gesehen, nur hübscher, feiner, so erzählt es meine Mutter manchmal, aber vielleicht auch nur, um die Söhne gegeneinander ausspielen zu können, denn so was machen ja Mütter gern, um im großen Pokerspiel des Familienlebens nicht unter die Räder zu kommen, – aber um Himmels willen! Wie komme ich jetzt auf meine Mutter? Ist das das Unterbewusstsein? Schlechtes Gewissen? Ist heute Muttertag? Hab ich womöglich den Muttertag vergessen?

Nein, gerade nachgefragt, heut ist nicht Muttertag, sondern nur Zeitumstellung. Aber ich wusste doch, da war was, terminlich. Alles klar.

Was mir freilich überhaupt nicht klar ist, sind Mürbse. Was sind Mürbse? Ist das etwa eine womöglich sexistisch konnotierte Anspielung auf eher unattraktiv wirkende Bäckereifachverkäuferinnen, der Kinder-Kosename für das Dekoleté ihrer Tante – oder doch nur was Süßes, vielleicht ein eigenartiges Mürbteiggebäckteilchen?

Übrigens: Jetzt, wo Sie´s sagen, fällts mir auch wieder ein: Dunkelblau, Sie haben recht, wahrscheinlich hab ich die Kurzen Hosen von damals in der Erinnerung nur etwas eingedunkelt, weil die erste wirkliche Hose war ja dann tatsächlich blau, und zwar richtig blau.

Und mit dieser dann richtig blauen Hose hat ja das Kindergartenleben überhaupt erst richtig angefangen. Vor dieser blauen Hose war man ja noch sozusagen Kleinkind, Baby, Hosenscheißer und in der Kindergartensociety praktisch noch gar nicht existent, obwohl man längst keine Windeln mehr anhatte, (an die mich freilich nun gar nicht mehr erinnern kann). Aber ich muss sicher noch in Windeln meine ersten Erfahrungen mit dem sozialen Einmaleins gemacht haben, denn mich haben sie im Alter von zwei in den Kindergarten geschickt, so was wie Krippen gabs damals nicht, jedenfalls nicht in dem Marktflecken, in dem ich aufgewachsen bin.

Aber was wollte ich eigentlich sagen?
Genau, diese damals neuen Hosen. Das Objekt der Begierde schlechthin, das Symbol für alles: Männlichkeit, Freiheit, Happyness, die waren so blau, blauer geht’s gar nicht. Zuerst dunkel und zu weit und zu lang, dann etwas hellblauer und enger, weil man ja während der zweieinhalb drei Jahre erstmal komplett hineinwachsen musste.

Daran erinnere ich mich gern. Strahlender Spätsommertag. Und ich stehe mit der neuen Hose am großen Kindergartenholzzauntor, wahrscheinlich der erste Moment meines Lebens, in dem ich eine Ahnung davon bekam, was Euphorie ist.


Also ich weiß noch genau, ich habe mich gefreut wie ein junger Hund – was heißt gefreut. Das war größer als Weihnachten. Das war die Erfüllung echter Sehnsucht, denn ich musste, wie ich damals dachte, Ewigkeiten warten – bis ich endlich die Damen und Herren Kollegen Mitkinder am Kindergartenzaun in einer – Sie wissen längst, worum es geht, genau – in einer jeans begrüßen durfte.

In einer jeans, also der ersten gescheiten Hose meines Lebens, die damals natürlich nicht jeans geheißen hatte, sondern bluejeans, auch wenn im Sandkasten natürlich keiner wusste, was das heißt, bludschins. Nicht mal die so genannte Tante Anni und die so genannte Schwester Bertilla wussten, was bludschins jetzt genau heißt, was nicht nur egal, sondern eben auch Teil des Geheimnisses war, und es klang einfach toll und es war einfach toll, so eine bludschins auch endlich anhaben zu dürfen. Nach der Aufnahme mit den Hosenträgern musste ich, glaube ich, noch etwa ein Viertel Jahr warten, was für einen gerade Vierjährigen eine Ewigkeit ist, wie gesagt. Im Herbst 68 war es dann soweit. By by Kleinkinderbabywelt. Inzipit Vorschulalter

Was ich sagen will. Den Dresscode von heute gabs damals schon auch. Nur lief der offenbar bei uns damals in völlig anderer Richtung ab, als in den Krippen und Vorschulgärten heute. Als ich mit vier meine erste bluejeans bekam, war das der große riesen Schritt hin zu den Großen, den Riesen, den unbesiegbaren Siegern, den Halbgöttern schlechthin, also den Sechsjährigen, die dann in die erste Klasse durften, in die dann völlig neue, abenteuerliche Welt des Lesens, Schreibens, Rechnens nach der auf Dauer dann doch irgendwann langweiligen Sandkasten-, Lego, Holzpferde- und Matchboxautospielerei. .

Das Spiel Leistungsschaulauf gab es übrigens damals definitiv nicht, konkurriert wurde natürlich schon, jedoch wie unter Männern, das heißt ohne Ketterl, Ringerl, Tascherl oder anderen, womöglich verbalen Schwulitäten.
Männer und Frauen waren auch schön gleichberechtigt. Einer, der sich blöd aufführt, wurde auch von den Mädels, gerade von den Mädels zurechtgewiesen, und wenn eine Zicke eben zickte, gabs eben mit dem Mohrenkopf in die Fresse, oder es wurde der älteren blöden Kuh, die einem die Sandburg zerstört, die Schaufel nachgeschmissen, oder der Fuß gelegt, da gab es also kein Gleichberechtigungs-Problem. Sogar so was, sagt man, soll heute in den Krippen ein Thema sein, absurd!
Gruppenbildung, anderes Thema, gabs damals im KG natürlich auch schon, freilich weder nach dem elterlichen Einkommen, noch irgendwelchen erlesenenen Sonder-Begabungs-Units, sondern wenn, dann nur nach Viertel, Straße, Gegend, – und letztlich entscheidend war am Ende nur eins: Fußballspieler? Oder nicht?
Wenn nicht, dann konnte dem auch keine Tante Anni mehr helfen, dann war so einer nie hip im Kindergarten, denn ab vier waren bei uns Holzpferdchen, Lego und auch der Sandkasten total out, da wurde praktisch nur Fußball gespielt.
Okay. Man musste auch manchmal Lieder singen, in Zweierreihen durch den Wald laufen und auch mal eine Stunde Menschen, Tiere und Häuser mit Bunststiften auf Papier hinzeichnen, was man auch nicht ungern tat, aber der große Spaß war der Fußball und natürlich – Witze erzählen. Und ich meine Witze er zäh len.
Jeden Tag praktisch immer dieselben fünf Witze vom Kare und vom Lugge, immer wieder von jedem einmal anders variiert jedem stundenlang in der Schaukel oder auf dem Baum sitzend, immer wieder in voller Länge extemporiert fast, und dann wurde gelacht wie Bolle, und die Oberpointe war natürlich, wenn am Ende vom Witz logisch das Wort Scheiße vorkam oder scheißen, das war der große Witz von jedem Witz, denn darüber mit drei oder vier Jahren lachen können beweist einem selbst, wohl klarer als selbst die blaueste jeans: Jawoll, man ist jetzt wirklich aus dem Kleinkindertum entlassen,, freilich lang noch nicht groß, aber doch immerhin endgültig und beweisbar kein Hosenscheißer mehr, endlich, denn man lacht darüber, jawohl, man kann selber drüber lachen, und weiß sogar, dass man nicht Scheiße sagen soll. Und auch ein Merkmal dieser Witze: Egal was einer wohl minutenlang vom Kare und vom Lugge vor sich hin phantasiert, am Schluss musste es sich reimen, das war dann Pointe genug, so nach dem Motiv sagt dann der Kare, ....du Hund. Und der Lugge sagt, was noch ein Pfund? Ja so war das damals.

Kurzum: Staatlicher Kindergarten ab zwei, also sobald man seinen Namen, Straße und Hausnummer ohne fremde Hilfe fehlerfrei aufsagen kann, keine Sonderbehandlung, keine Mäzchen, nur eben nur Kindergarten, habe ich selbst erlebt und kann ich weiter empfehlen, gute Sache.

Also liebe Silie, Frau Peter oder wer auch immer mir da die erste blaue Hose ohne Träger vor Augen geführt hat, Sie haben mich mit Ihrem Kommentar ganz schön an was erinnert. Wenn ich hier jetzt nicht sofort aufhöre, wird das ein längerer Streifzug, deshalb höre ich jetzt auf. Eigentlich wollte ich auf was ganz anderes hinaus. Eigentlich wollte ich Ihnen zur großen Hosenfrage nur kurz und bündig Folgendes mitteilen:

Die Statusprobleme wurden damals, wenn sie denn mal plötzlich im Raum standen und geklärt werden mussten, in griechisch-römisch oder vermittels einer einfachen Watschn unter Gleichaltrigen gelöst. Das ganze sozialpsychologische Brimborium sowie den dazugehörenden Zinnober von wegen „ Nur-Das-Beste-Fürs-Kind-Damits-Ein-ganzer-Kerl-wird“, gabs für uns nicht. Und ich fürchte auch, dass die armen Tröpfe, die heutzutage damit pädagogisiert werden, um dem Rattenrennen der Konkurrenz überhaupt gewachsen zu sein, bis zur Einschulung immer noch nicht laufen können, wie Sie schreiben, denn Sie schreiben zurecht laufen – und nicht mitlaufen. Denn Mitlaufen, Mitklatschen, Mitbeten scheinen sie schon zu lernen, scheint wohl auch das oberste Erziehungsziel, freilich immer schön modisch, individualistisch und besser als die anderen.

Ich hoffe, die Geschichte hat Sie jetzt nicht zu sehr gelangweilt. Lang genug wär sie ja, und ein guter Schlussreim fällt mir auf die Schnelle jetzt auch nicht ein, es sei denn „Wirklich nicht?“ „Ja wirklich, nein.“
Ciao

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Da dank' ich recht herzlich für diesen erfrischenden Exkurs, der eigene Erinnerungen wachrief.

Ich selbst bekam meine ersten bludschiens erst viel später; in meiner Grundschulzeit war in etwa die gleiche Mode wie heute angesagt - oben zu eng, unten zu weit, mit der Besonderheit der braunen Breitcordhosen.
Und Blusen, für die 100 Polyester gestorben waren, mit Millefleur-Optik, orangschtürkisweißpink auf schwarzen Grund, die stanken im Winter bestialisch und juckten wie der Teufel (ja, das war vor der Erfindung der Mikrofaser!), hatten dafür aber einen Kragen bis zur Taille und der Gestank fiel nicht weiter auf, den alle Kinder wurden ja in diese Sado-Sado-Blusen-oder-Hemden gesteckt.
Und obendrauf gab's einen selbstgehäkelten Pullunder von der Oma, in apfelgrün, mit einer Häkelapplikation von einem Apfel, in rot und dunkelblau. Und eben besagte braune Breitcordhose.
Und blaue Halbschuhe, mit so einer gelblichen Kreppsohle. Die knirschte auf dem Linoleum im Schulhaus, wo es freitags immer nach Bohnerwachs roch, und ein Schild an der Treppe sagte: "Frisch gebohnert, nicht toben, Unfallgefahr!"
Dass unsere Eltern uns so auf die Strasse gelassen haben! Es fiel aber gar nicht auf, denn auf der Strasse tobte ja die Studentische Revolution, Strassenbahnen fielen um und Deutschland gruselte sich vor der RAF, da hatten die Erwachsenen andere Sorgen, als Kinder, die nicht Ton in Ton angezogen sind.
Und als Mädel durfte man nur mitfussballspielen, wenn man "stark" war (später hieß das dann "kuhl"...)

Und wie Sie spätestens an der Millefleurbluse erkennen können: Frau Petersilie (damals hätte man "Fräulein" gesagt, meine Großtanten waren mit über 60 noch Fräuleins...), denn die Petersilie ist ein weibliches Gewächs, anders als der Rettich, der ist männlich, oder das Radieschen, das weiß noch nicht... jedenfalls waren Blümchenblusen den Mädels vorbehalten.

Ja, ich könnte jetzt stundenlang weiterschreiben, über Tante Margret, die ich liebte, und Tante Ursula, die ich nicht mochte und so weiter und so fort, aber wichtige Geschäfte rufen mich zur Pflicht, und so verbleibe ich, bis demnächst,

Petersilie

Ach ja, und ein Mürbs, hat nicht im Dekoltée der Bäckereifachverkäuferin zu suchen; das ist ein Oberbegriff für Quarktasche, Schokohörnchen, Puddingplunder, Streuseltaler, Nuss-Schiffchen, Apfeltasche, Amerikaner und was Ihnen sonst noch zu dem Thema einfällt.
Wie heißt das bei Ihnen, "süßes Teil" oder so?

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Liebe Petersilie,
vorab: Darf ich hier einfach Silie sagen, das Petersilie, ich kann mir nicht helfen, klingt mir irgendwie zu, zu, zu – ich weiß nicht, GRÜN!
Und sieht auch irgendwie, wie soll ich sagen, bewaffnet aus, Petersilie, es grüßt Petersilie, also echt, ich kann mir nicht helfen, das klingt für mich wirklich irgendwie auch militant, davor habe ich Angst, da werde ich sofort selbst zur Sieglinde, oder wie diese Weichkochkartoffeln heißen.
Also, was dagegen, wenn ich den Peter in Zunkunft einfach unterschlage, oder ihn nur in Not- und Ausnahmefällen aus der Aservatenkammer der klingenden Namen hole, um Sie, wenn es sein müssen sollte zur Ordnung oder zur Besinnung zu rufen, so nach dem Motto:
"Meine liebe Silie! Frau Peter! Wo denken Sie hin?"
Oder womöglich:
"Silie, Silie! Nochmal so eine Beleidigung, und ich nenn Sie in Zukunft nur noch Peter."
Oder so.
Was halten Sie davon. Also ich finde Silie schon schön. Wenn ich´n Mädchen wär, würde ich, glaube ich schon gern so heißen wollen. (Noch lieber natürlich Pam, oder wie sich eben diese jungen Miliionärinnen nennen, mit den großen Ohren, um die hier mal nicht zu vergessen, nicht wahr.)

Zu den Mürbsen. Unter uns. Dort wo ich aufgewachsen bin, und auch dort wo ich jetzt wohne, und eigentlich überall, wo ich jemals gewohnt habe, ging und geht man in keine Bäckerei, die einem die Welt der Schlotfeger, Holländer Schnitten, Windbeutel, Apfeltaschen, Quarkbällchen, Strauben, der Baum- bis zu den Käsekuchen, den kompliziertesten Torten bis hin zum einfachen Amerikaner als Mürbs – ich sags nochmal, damit man das auch hört : MÜRBS – in die Auslage zu stellen wagt. Das gibt es nicht!
Da ist die k.u.k. und insbesodnere WienerHofbäckerschule erstens geographisch, zweitens historisch viel zu nah, als dass das ein Konditor, der noch ein Herz und eine Ehre unter der Schürze hat, durchgehen lassen könnte. Im Rheinland sagen sie Teilchen. Na ja, klar, Rheinländer eben. Und wenn in einer Münchner Bäckerei auch mal das Wort Teilchen fällt, dann ist das okay, denn an die Rheinländer hat man sich ja inzwischen gewöhnt. Aber mit Verlaub: Mürbse? Also, ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, was Sie hier kriegen würden, wenn Sie in einer anständigen Bäckerei nach Mürbsen fragen: Wahrscheinlich mitleidige Blicke. Und wenn es dann dumm läuft (...wie, kennen Se nich Fräulein, Mürbse? Kennt doch jeder!...) – Hausverbot.

Und um die Frage zu beantworten. Es gibt da kein entsprechendes Wort. Wenn einer Sahnetorte will, verlangt er Sahnetorte. Wenn es ihm eher nach Quarktasche ist, fragt er nach Quarktasche, und ich will z. B. dazu auch noch wissen, ob die mit Rosinen sind, denn wenn die mit Rosinen sind, dann nehm ich die nicht, sondern halt eher eine Kirschrolle oder eben wieder mal die gute alte Apfeltasche. Man ist da im Süden wählerisch sozusagen.
Dolce, letzte Bemerkung, sagt auch nur, wer sich sowohl beim Bäcker als auch im Café kraft Wortwahl binnen Sekunden komplett und unwiderruflich als Depp outen will. "Jetzt noch was Süßes" zu wollen, ist okay. Nur: Sobald man eben eine Sekunde daran denkt, was es da so alles gibt, fällt einem dann schon allerhand ein, alles eigentlich, außer Mürbs, denn das klingt ja ganz gefährlich eindeutig nach Karottenkuchen und so was Trockenes mit vorne Zwi hinten Back oder eben – Keks.

Nix für ungut. Muss hier jetzt leider den Laden kurz schließen wg. Kaffe machen. Das nächste mal dann noch ein paar alte Klamotten von der ersten bis zur zehnten Klasse. Denn da weiß ich auch noch was dazu, wenn´s Sie interessiert, Fräulein Silie.
Hat mich sehr gefreut. Bis denne

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