Montag, 16. April 2007
DIE HERREN DER TECHNIK (Fortsetzung)
Umbau? Jetzt?
Wir, die vier Möbler, die inzwischen auch auf der obersten Stufe der Bühnenseitentreppe neben dem Herrn Inspizienten Rupert stehen und das eigentlich nur, weil wir uns aus einer Laune heraus kurz entschlossen hatten, unser oben im Möbellager begonnenes Gespräch über die hohe Kunst des Fotografen Ansel Adams hier unten auf der Seitenbühne weiter führen, schauen uns erst etwas ratlos an, dann machen wir uns, von einem achselzuckenden „Okay, wenn er meint, bauen wir halt um!“ des primate9 angespornt, an die Arbeit und marschieren in die Kulisse, wo neben der Contessa di Almaviva schon zwei etwas verschlafen wirkende junge Damen von der Requisite mit ihren Glaskaraffen und Blumensträußen herumstehen und ein wenig irritiert sind, wie es scheint.

Während Herr Krinninger und ich ein schweres auf einem Messingrahmen gelagertes Bett durch ein eingebautes Portal aus dem Seidenkubus in die hintere linke Ecke des Podiums tragen, was keine leichte Aufgabe ist, da dies laut Plan eigentlich von vier Leuten erledigt werden sollte, sorgen der primate9 und der zweite CvD dafür, dass ein aufgerollter Teppich und ein mit Eisen beschwertes Nachtkästchen hinter den Kulissen verschwinden – beides, wie auch das Bett übrigens nicht wirklich billige Bühnenmöbel, die sich der Bühnenbildner Rose freilich eingebildet hat, weil für den Mann Geld keine Rolle spielt, aber das führte nun in eine ganz eigene Geschichte, die ein andermal erzählt wird.

Zurück zur Verwandlung:
Nachdem der Herr Krinninger und ich also das Bett und die beiden anderen Kollegen die übrigen Antiquitäten von der Bühne bugsiert haben, was gar nicht so leicht ist, denn das Zeug ist tatsächlich schwer, es muss möglichst geräuschlos passieren – freilich, mit dem Geschick und dem geschulten Auge echter Profis ist das für uns dann doch kein Problem – also nachdem wir das Bett nicht ohne Mühe durch das enge Portal bugsiert und links hinten auf dem Podium abgestellt haben, kommen sie auch schon angelaufen, die uns beim Bett hätten helfen sollen –
Die Herren der Technik. Und wie!
Etwa zwei Dutzend Männer aus aller Herren Länder, stürmen, leise Flüche zischend und wütend angetrieben von ihren Seitenmeistern aus der Hinterbühne auf uns zu, entern sozusagen wie ein aufgeschreckter Piratenhaufen die Kulisse, denn die Herren der Technik haben ein Problem, nämlich nur noch knappe eineinhalb Minuten, um jetzt das angenagelte Bodentuch zu entfernen, drei paar Flügeltüren auszuwechseln sowie die drei Portaleinbauten inklusive Türrahmen. Nicht zu vergessen, ein paar neue Stellwände und die Vorarbeiten zum dritten Bild, die auch noch während dieser Verwandlung passieren müssen.

Nein, eigentlich hätten sie vor fünf Minuten schon passiert sein müssen, wenn die Herren der Technik ihren Einruf nicht überhört hätten oder die Inspizientin rechte Seite diesen Einruf nicht verpennt hätte. Was da nun genau passiert ist, ist unklar. Klar ist nur, dass jedenfalls sofort das Bodentuch weg muss irgendwie und subito, vorher können wir von der Deko nämlich unsere natürlich auch sauteuren Möbel des Bildes zwei nicht stellen. Und wenn unsere Chaiselonge, ein Tisch zwei Sessel und sechs Stühle, schöne original Empire-Stücke, nicht schnellstens auf ihren Zeichen stehen, fängt die Requisite an zu weinen. Die müssen nämlich noch neben ihre Blumensträuße und Glaskaraffen auch ein paar andere Spielzeuge für die Sänger in der Kulisse vom Bild II drapieren. Und solange das Bild zwei nicht komplett steht, steht die Requisite nur hilflos und irgendwie dumm rum – und bis der Schallvorhang vorne wieder aufgeht haben sie jetzt noch etwa eine Minute und es steht noch nicht mal die Chaiselonge. Und der Schallvorhang wird aufgehen. Und Sekunden später dann auch der Bühnenvorhang, denn hinter dem Vorhang spielt die Musik bekanntlich. Und so eine musikalische Verwandlung ist nun mal eine musikalische Verwandlung. Wenn die nicht klappt, muss eben abgebrochen werden oder der Vorhang geht auf und das Münchner Opernpublikum sieht eben im Figaro zur Abwechslung mal weinende Requisiteurinnen die Bühne fluchtartig verlassen, was zwar nicht im Regiebuch steht, was aber durchaus passieren kann und durchaus schon mal passiert und auch passiert ist, okay, weinen tun sie nicht, wenn sie manchmal unfreiwilig im Scheinwerferlicht stehen müssen, aber fast. Und sich schweife schon wieder ab, denn ob es auch diesmal passiert, wissen wir noch nicht. Noch haben Sie eine halbe Minute.

Wir von der Deko stellen jedenfalls in gewohnter Gelassenheit unser Zeug auf die Bühne, während um uns rum die Herren der Technik etwas unsouverän hektisch herumrasen, und natürlich wuseln auch ein paar Beleuchter herum, denn auch die haben sozusagen den Schuss nicht gehört in ihrem so genannten Beleuchterkammerl und müssen jetzt sehen, wie sie in dem plötzlich ausgebrochenen Chaos ihre Scheinwerfer neu einrichten ohne dass nun ein von oben bis unten tätowierter, mit Hammer und Studerer bewaffneter, schwitzender Herr von der Technik links mit seiner Flügeltür so einen Scheinwerfer kaputt haut, bei seinem Versuch seine Flügeltür in das neue Portal einzuhängen, das jedoch noch gar nicht richtig fixiert ist, weil die Seitenmeister links nicht mehr wissen, ob und was jetzt die rechte Seite gerade wieder für eine falsche Tür in welches Portal, das eigentlich zur linken Wand gehört, kurzum, es geht rund und die Zeit läuft den Herren der Technik davon, gnadenlos.

Wir von der Deko lachen uns natürlich kaputt und machen auch ganz abfällige Bemerkungen, denn normalerweise müssen wir Möbler uns solche blöden Sprüche von den Herren der Technik anhören. Also Sprüche wie den von den Händen in den Hosentaschen oder den, wo man denn wieder bleibe, oder vom etwa nichts zu tun haben oder eben den ältesten aller Sprüche, nämlich den vom zu blöd sein, um zu wissen wo jetzt hier links ist und wo rechts ist auf der Bühne.

Und solche Augenblicke, wenn alle Möbel schon stehen während die mächtigen Herren der Technik noch nicht mal wissen, wo hinten und vorn ist und die Bühnenmeister langsam bleich werden im Gesicht, solche Momente sind dann auch echte Highlights der im Übrigen nur karg vergüteten Arbeitsstunden eines Aushelfers Abteilung Deko der Münchner Staatsoper, dem laut einhelliger Expertenmeinung mit Abstand besten Opernhaus der Welt, noch vor der Met und auch der Mailänder Scala, wie mir neulich eine weltbekannte Sopranistin – aber ich komme schon wieder vom Thema ab, denn es geht ja um den Umbau, und der ist immer noch nicht fertig.

Das heißt. Wir Möbler sind fertig. Und nachdem der Herr Krinninger, die CvDs und ich die Möbelauch noch millimetergenau zurechtgerückt haben, lassen sich dann auch der Herr Oellers und der Herr Forster auf der Bühne blicken, und damit sind die Möbler nicht nuer fertig, sondern auch noch komplett. Die Beleuchter sind nur zu dritt. Vier Leute hocken immer noch irgendwo, wahrscheinlich Kantine, und die Herren der Technik müssen jetzt wirklich rödeln was das Zeug hält, denn inzwischen wird sogar der Inspizient Rupert nervös, der sich vorher den echt coolen Scherz erlaubt hat, der Technik wie üblich ihr Zeichen zum Umbau zu geben, obwohl von der Technik kein Mensch auf der Bühne war, kein einziger, nicht mal die Seitenmeister, sondern nur wir, die Möbler! Die, die angeblich immer zu spät kommen und nie da sind, wenn sie gebraucht werden. But to make a long story short: Sie schaffen es dann doch noch. Auch die Requisite kommt gerade noch raus, bevor der Vorhang wieder fährt und so kann sich die Abteilung Deko dann auch wieder ganz beruhigt und als ob nichts gewesen wäre mit dem Aufzug an der Hinterbühne hoch ins Möbellage begeben, während die Herren der Technik sich fragen lassen müssen, was denn mit ihnen los gewesen sei.
Auf dem Weg zum Aufzug erklärt uns der Herr Oellers, was aus seiner Sicht los war. Es gab keinen Einruf. Jedenfalls oben, im Möbellager, wo er auf einer Couch lag, gabs keinen Einruf, wahrscheinlich auch nicht unten im Mannschaftsraum der Herren der Technik. Wahrscheinlich hat die Inspizientin rechts tatsächlich gepennt.
Aber ob das stimmt wird freilich nie wirklich geklärt werden, denn im Vorstellungsbericht wird von den lustigen Turbulenzen während der Verwandlung vom ersten auf das zweite Bild natürlich mit keinem Wort die Rede sein, denn den Vorstellungsbericht schreibt nämlich wer? Genau, die Inspizienz rechte Seite.
Aber wehe, es steht nur ein dämlicher Hausstuhl nicht dort, wo ein Inspizient nicht drüberstolpern kann, dann liefert die Deko wieder die Helden in den täglichen Berichten über Fehlleistungen, Mängel, nicht zu vergessen Schuld und Sühne so einer Vorstellung. So sind sie nämlich, die Damen und Herren Inspizienten: nie schuld, dafür ständig am sich beschweren und schlecht reden über uns Möbler.

Nachklapper:
Im Aufzug fährt dann der so genannte Herr Franz, der sogenannte Leiter der Produktion und Konstruktion mit uns mit, weil die Büros der technischen Direktion, der Geschäftsführung, Pressestelle sowie der Intendanz im selben Stockwerk untergebracht sind, in dem sich auch unser Möbellager befindet. Während der kurzen Fahrt macht der CvD einen Witz und sagt zum Herrn Franz, er gebe der Deko jetzt einen Orden wegen besondere Leistungen im Dienst, worauf der Herr Franz offenbar humorfrei erwidert, welche Leistung denn da wieder so besonders gewesen sein soll von der Deko, worauf ich mir dann freilich nicht verkneifen kann zu sagen, aber hallo, wir wären jedenfalls wenigstens da gewesen, was der Herr Franz immerhin mit einem abfälligen Lachen quittiert, zumindest das hat er offenbar gerade mitgekriegt und auch noch kapiert. Was mich dann doch auch irgendwie wieder wundert, denn in der Regel schaut der Leiter Produktion wie fast alle aus der technischen Direktion in etwa so kompetent aus und agiert auch so als wüsste er noch nicht mal wie er selber heißt, wenn ihm das nicht per Anweisung von vorgesetzter Dienststelle genau gesagt wird.
Ende der Vorstellung

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Wow!
ist der Text gut! Der ist besser als der Witwen-Text. Der ist so gut, dass ich den blöden Tippfehler da oben nur von hier aus korrigieren will. Es muss heißen: einen Orden wegen besonderer Leistungen, nicht besondere Leistungen, soviel grammatikalische correctness muss sein. Die anderen Tipp- und Satzzeichenfehler lass ich stehn, auch wenns mich juckt, schließlich bin ich von elf Uhr nachts bis kurz vor fünf Uhr in der Früh an diesem Vorstellungsbericht gehockt, zuletzt sogar als mein eigener Schlussredakteur, und wollte keine Fehler machen, keinen einzigen. Ich wollte einfach, dass das stimmt. Und weil ich das immer noch will, sei nur noch angemerkt, dass die musikalische Verwandlung nicht im ersten Akt stattfand, sondern vom ersten auf den zweiten Akt. Es bleibt zwar bei den zwei Bildern, aber der Figaro hat eben vier Akte. Nicht dass man mir vorwirft, ich hätte von Mozart und seiner schnörkellosen Art zu komponieren keine Ahnung.

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