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Freitag, 7. Dezember 2007
WITWEN MONOLOG – VOL. 3
the great gate, 15:30h
(...) Wir kamen aus Sarajewo. Die Zeiger jeder Uhr drehen sich alle im selben Kreis. Die Welt steht dauernd still. Erinnerungen führen ja zu nichts. Das Universum ist nur eines unter vielen. Ich zitiere, ich zitiere nur. Wir kamen aus Wien, aus Kairo. Wir kamen aus Düsseldorf. Ehrlich gesagt, schau ich auf diese Zeit zurück, wie auf ´nen explodierten Stern. Sehr lange her, wie wir da Hand in Hand durch den Winter. Wie die zwei letzten Tiere seh´ ich uns tatsächlich stehen, einfach so, stehn wir da rum im Eiskristallenmeer, vor einem alten Baum, unter dem Sternenzelt sozusagen, strahlendes Weiß im tiefsten – na ja – Winter. Du zitterst. Weinst du etwa? Oder ist dir nicht gut? Guck doch mal rauf, da oben schweben unsre Satelliten. Die werden dich beschützen. Mir war nur kalt. Besser wir gehn´ zurück und zu den andern. Da waren wir uns einig, glaube ich, in dieser Nacht, im Krieg. Obwohl. Seinen Gedanken folgen. Ob ich seinen Gedanken folgen könne. Wie das denn gehen könnte. Ach! Dieses Geschwafel. Ich meine: Die Verdammnis. Das Zerstören. Die Befruchtung. Das Spiel. Die Lösung. Das Ende. Die Taube. Das Dach.
Ich bin aber Jude, hat er zu diesem Markenmenschen gesagt, was glatt gelogen war. Und der Typ lacht sein Betriebswirtschaftslachen und erklärt, kein Problem, die Frage ist doch: Haben Sie auch Geld, mein Lieber? Und Daggi, völlig weggetreten, reimt: Für die einen ist es die Shoah für die anderen die längste Praline der Welt, mein Lieber. Bescheuert, aber so war das. Akademisches Tittytainment für gelangweilte Erben. Wir kamen aus Seattle. Und das war Berlin. Später, er war längst gegangen, zogen Nebelschwaden in die Stadt ein. Wir zogen mit ihnen, wenn ich so sagen darf, wollten ihn suchen, nein, wir bewachten die Spree. Es war noch nicht sehr lange Frieden. Ich meine den Anfang vom Ende: Voltaire, hat er sich auf den Brustkorb tätowieren lassen. Von Kapitulationen, Ammen, Weizenfeldern. Vom Sturm der Schlachtgesänge, vom Blut der Gemälde. Oder nur Korn oder nur Milch oder versprengte Soldaten geschlagener Heere. So hießen schließlich unsere Titel, das waren die Hits unsrer Ästhetik. Ich meine, so was kann jeder, kann ich auch: Er schmilzt, er ist geschmolzen, weg geschmolzen. Das macht mich bitter, lässt mich weinen, schafft Grausamkeiten, böse Worte, tief dunkle Flecken, Kratzer auf der Haut. So what?
Ein Zeugnis hat er uns nicht ausgestellt, hat praktisch nur so Brocken hinterlassen, von denen er behauptet hat, dass sie ihm ganz allein gehören: Worte. Ich zitiere Verbrechen, Klage, Schöpfung, Richter, Hass, Schneeflockenflug, Vernichtungswille, Ölen, Zorn, Entscheidung, Spiel. Oder Maschinenraum, Gebrechen, Herrschaft, Miese, Haus, Krankheitserreger, Industrie und Tod. Das alles habe er für sich geclaimed nachdem weltweit der Frieden ausgerufen und erklärt war. Auch sollten Rede, Wissen, Lüge, Glück, die Stille, Kleid und Zauber, Schmuck, der Staat für ihn geschützt sein, allein sein Eigentum. Und damit, es war unerträglich, doch nicht mehr zu ändern, kam großes Geld, dann der Erfolg. Es ging wie geschmiert. Er kannte keinerlei Skrupel, bequatschte jeden Ministerialdirigenten, Hauptsache Prokura. Und Daggi war meistens die schnellste, auch mit dem Telefon. Probleme kennt die nur aus der Zeitung. Und sie hat sich, auch als der Zerfall begann, nicht gegrämt und gemerkt hat sie gar nix. Auch als er hilflos vor ihr lag, völlig verzweifelt sie anfleht, fällt ihr nur ein, nach der Gage zu fragen, und ob er denn keine weiteren Pläne – in Salzburg paar Tage arbeiten; endlich nach Hause oder nur einfach so, so ein bisschen entspannen. Und als er lacht, absolut irre sie anlacht, sagt sie nur: siehst du, das ist es doch, was ich immer sage, es ist doch alles halb so schlimm, komm wir trinken zur Abwechslung mal einen großen Schnaps zusammen. Uschi, sei doch so gut, lauf schnell hinüber zu Hardenbergs, ich glaub ne Party könnte uns allen nicht schaden. Und wenn dann der letzte gegangen ist, ist es sie, die betrunken im Flur liegt und heult. Und will wissen, ob sie sich nicht doch ihre Brust vergrößern lassen soll. Und will endlich ihr Kind, bevor alles zu spät ist. Und brüllt bis er kommt und sich neben sie legt. Und dann schlafen sie ein, wie zwei wimmernde Stämme (aus Holz).
Am nächsten Tag klingelte es an der Tür – ja Hallo, die Leute vom Fernsehen sind da, was seit Tagen schon klargemacht war, woran keiner gedacht hat. Und dann sitzen wir rum, spielen locker, setzen unsere verspiegelten schwarzen Brillen auf und erklären wie schön unsre Welt ist. Wir kamen aus Bukarest. Wir inszenieren hier, ganz neu, ein ontologisches Konzept, so was von seinsvergessen, antihistoristisch historistisch und – meine Güte – sind die erschrocken, als Daggi aufstand, Bluse offen – ein einziges Beben von Mensch – und kotzt diese Kamera voll. Wann war das noch, gestern? Im vergangenen Jahr? (...)
Mehr hier:
WM – Auszug
WM – Vol.2 extended anomalie
Ich bin aber Jude, hat er zu diesem Markenmenschen gesagt, was glatt gelogen war. Und der Typ lacht sein Betriebswirtschaftslachen und erklärt, kein Problem, die Frage ist doch: Haben Sie auch Geld, mein Lieber? Und Daggi, völlig weggetreten, reimt: Für die einen ist es die Shoah für die anderen die längste Praline der Welt, mein Lieber. Bescheuert, aber so war das. Akademisches Tittytainment für gelangweilte Erben. Wir kamen aus Seattle. Und das war Berlin. Später, er war längst gegangen, zogen Nebelschwaden in die Stadt ein. Wir zogen mit ihnen, wenn ich so sagen darf, wollten ihn suchen, nein, wir bewachten die Spree. Es war noch nicht sehr lange Frieden. Ich meine den Anfang vom Ende: Voltaire, hat er sich auf den Brustkorb tätowieren lassen. Von Kapitulationen, Ammen, Weizenfeldern. Vom Sturm der Schlachtgesänge, vom Blut der Gemälde. Oder nur Korn oder nur Milch oder versprengte Soldaten geschlagener Heere. So hießen schließlich unsere Titel, das waren die Hits unsrer Ästhetik. Ich meine, so was kann jeder, kann ich auch: Er schmilzt, er ist geschmolzen, weg geschmolzen. Das macht mich bitter, lässt mich weinen, schafft Grausamkeiten, böse Worte, tief dunkle Flecken, Kratzer auf der Haut. So what?
Ein Zeugnis hat er uns nicht ausgestellt, hat praktisch nur so Brocken hinterlassen, von denen er behauptet hat, dass sie ihm ganz allein gehören: Worte. Ich zitiere Verbrechen, Klage, Schöpfung, Richter, Hass, Schneeflockenflug, Vernichtungswille, Ölen, Zorn, Entscheidung, Spiel. Oder Maschinenraum, Gebrechen, Herrschaft, Miese, Haus, Krankheitserreger, Industrie und Tod. Das alles habe er für sich geclaimed nachdem weltweit der Frieden ausgerufen und erklärt war. Auch sollten Rede, Wissen, Lüge, Glück, die Stille, Kleid und Zauber, Schmuck, der Staat für ihn geschützt sein, allein sein Eigentum. Und damit, es war unerträglich, doch nicht mehr zu ändern, kam großes Geld, dann der Erfolg. Es ging wie geschmiert. Er kannte keinerlei Skrupel, bequatschte jeden Ministerialdirigenten, Hauptsache Prokura. Und Daggi war meistens die schnellste, auch mit dem Telefon. Probleme kennt die nur aus der Zeitung. Und sie hat sich, auch als der Zerfall begann, nicht gegrämt und gemerkt hat sie gar nix. Auch als er hilflos vor ihr lag, völlig verzweifelt sie anfleht, fällt ihr nur ein, nach der Gage zu fragen, und ob er denn keine weiteren Pläne – in Salzburg paar Tage arbeiten; endlich nach Hause oder nur einfach so, so ein bisschen entspannen. Und als er lacht, absolut irre sie anlacht, sagt sie nur: siehst du, das ist es doch, was ich immer sage, es ist doch alles halb so schlimm, komm wir trinken zur Abwechslung mal einen großen Schnaps zusammen. Uschi, sei doch so gut, lauf schnell hinüber zu Hardenbergs, ich glaub ne Party könnte uns allen nicht schaden. Und wenn dann der letzte gegangen ist, ist es sie, die betrunken im Flur liegt und heult. Und will wissen, ob sie sich nicht doch ihre Brust vergrößern lassen soll. Und will endlich ihr Kind, bevor alles zu spät ist. Und brüllt bis er kommt und sich neben sie legt. Und dann schlafen sie ein, wie zwei wimmernde Stämme (aus Holz).
Am nächsten Tag klingelte es an der Tür – ja Hallo, die Leute vom Fernsehen sind da, was seit Tagen schon klargemacht war, woran keiner gedacht hat. Und dann sitzen wir rum, spielen locker, setzen unsere verspiegelten schwarzen Brillen auf und erklären wie schön unsre Welt ist. Wir kamen aus Bukarest. Wir inszenieren hier, ganz neu, ein ontologisches Konzept, so was von seinsvergessen, antihistoristisch historistisch und – meine Güte – sind die erschrocken, als Daggi aufstand, Bluse offen – ein einziges Beben von Mensch – und kotzt diese Kamera voll. Wann war das noch, gestern? Im vergangenen Jahr? (...)
Mehr hier:
WM – Auszug
WM – Vol.2 extended anomalie
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