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Donnerstag, 19. April 2012
FLAMING LIPS 2000
the great gate, 16:56h
"Montag, 22. Mai 2000 08:52 von Frühauf/Frankfurt an Otteneder/München
ohne Titel
Werter Freund,
die Offenlegung des dritten Geheimnisses von Fatima kurz vor dem 80. Geburtstag des Heiligen Vaters, Seiner Heiligkeit Johannes Paul II, war eine Sensation. Immerhin hätte er zu Zeiten streikender Werftarbeiter in Danzig ja auch einfach so behaupten können, dass das dritte Geheimnis Lech Walesa als wieder auferstandenen Sohn Gottes oder eine Gehaltsstufe darunter prophezeit hat. Was ich sagen möchte, der Papst und seine hinter ihm stehende Mafia haben ja bei einer Milliarde Menschen das Monopol auf Sinngebung und Wahrheitsfindung. Sie hätten jederzeit dieses ominöse dritte Geheimnis willkürlich oder gezielt einsetzen können. Das haben sie aber nicht getan, und das findet meine Zustimmung. Die Berichterstattung über diese sensationelle Enthüllung ist mir zu gering ausgefallen: Blocküberschrift, Sonderseiten, ARD-Brennpunkt, Live-Übertragungen vom Petersplatz und Schaltungen nach Fatima, fanatisierte südländische Weiber, die den Rosenkranz beten und sich selbst kasteien, das alles habe ich, der sich in letzter Zeit zum einen als Turbokapitalist und zum anderen als Radikalkatholiken betrachtet, vermisst. Ich kann den Eindruck nicht verdrängen, dass der Vatikan der Globalisierung hinterhinkt. Im Grunde war es ein Armutszeugnis, ein derartiges Ereignis in der Gesellschaft des Spektakels einfach so an der Öffentlichkeit vorbei zu lancieren, tut schon weh. Man hätte das Attentat auch als Beleg für die Unfehlbarkeit des Papstes interpretieren können. Gerade mir, der ich doch seit Jahren aus absoluter Überzeugung Monat für Monat Kirchensteuer entrichte. Überzeugung heißt für mich nicht Glaube, da ich die Frage nach Gott für die Menschheit im allgemeinen als vernachlässigenswert erachte, da gibt es dringlichere Fragen. Nein, die katholische Kirche hat in den letzten Jahren mit ihrer Kapitalismuskritik interessantere Beiträge geliefert als die gesamte Sozialdemokratie seit ihrem Bestehen. Darüber hinaus ist der Unterhaltungswert unglaublich groß. Die Forderung, auf jegliche Verhütung beim Geschlechtsakt im Aids-Zeitalter zu verzichten, stösst nicht auf meine Zustimmung, da ich bislang immer Vorsorge getroffen habe, bzw. mein weibliches Pendant. Allerdings habe ich immer noch im Hinterkopf die Theorie von Passolini, dass die sexuelle Enttabuisierung im Interesse des Kapitals und seiner Verwertungsmechanismen gelegen hat. Die Konsequenz war die Zerstörung des Ideals der Familie. Und dieser Passolini hat schon damals, noch bevor er von einem Stricher in Ostia im Auftrag der Faschisten ermordet wurde, auf den schwindenden Einfluss der Kirche hingewiesen. Das Kapital braucht die Kirche nicht mehr. Und da sind wir heute angelangt. Und vor diesem Hintergrund hätte ich die Enthüllung des dritten Geheimnisses gigantomanisch aufgeblasen. Das Merkmal unserer Epoche ist die Megalomanie und wenn man so will, ist alles "sensational", wie es die Kollegen aus der Werbebranche formulieren würden. Und bei den Themen Spektakel und Gigantomanie wären wir bei den Flaming Lips, schon seit über zehn Jahren eine meiner absoluten Lieblingsbands. Die spielten am Freitag im Rahmen einer Tour des Labels Cityslang an der Uni. Die drei anderen Bands waren auch interessant, ich möchte an dieser Stelle nur an die fantastischen Lambchop hinweisen. Die Flaming Lips waren nicht nur fantastisch, sie waren grandios, umwerfend. Ein Konzert das mich in seiner theatralischen Schönheit fast zu Tränen rührte. Dieser Wahnsinn hat mir den Glauben an die Menschheit wiedergegeben. Vor Erregung zitternd ging ich nach dem Konzert nach draußen, um mich meinen Kumpels mitzuteilen. Ich war von Glück erfüllt. Und wie lautete die Reaktion meiner Kumpels, sie seien ob des schlechten Sounds schon nach fünf Minuten rausgegangen. Mit einem Nachwuchskünstler vom Städel stritt ich mich fast. Der bezeichnete dieses Ereignis als schwachsinnigen Größenwahn. Ich kann Dir die Flaming Lips nur empfehlen, sollten sie in Deiner Nähe auftreten. Der letzte Spieltag war dann das Sahnehäubchen, ich möchte Dir zur xten Meisterschaft gratulieren. Dass Bayern diesen Erfolg Haching zu verdanken hat, und 1860 als souveräner Stadtmeister zumindest international vertreten ist, verschafft mir Genugtuung. In diesem Sinne eine spannende Woche, möge Dein Weg von der heiligen Dreifaltigkeit gesegnet sein und die Mutter Gottes nicht vergessen, Amen
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Montag, 22. Mai 2000 17:24 von Otteneder/München an Frühauf/Frankfurt
Happyness is a warm gun
Grüß Sie Gott, Sie Radikalkatholik,
und auch von hier aus natürlich ein herzlicher Gruß, verbunden mit dem innigen Wunsch, dass dieser elende Woityla, diese schlimmste Menschheitsgeissel seit - sagen wir - der Erfindung von Kampfgas, endlich zur Hölle fahren soll, wo dieser verkommenen Lemure der Gegenaufklärung schon die längste Zeit ein Logenplatz freigehalten wird. Machen wir uns doch nichts vor. Dieser polnische Büttel hat seine Schuldigkeit getan. Was den noch am Leben hält, ausser den Morphiumspritzen, dem schlechten Gewissen und den alten Kontakten aus vergangenen Fronttagen (Loge P2, Banco Ambrosia, CIA, Opus Dei) ist mir ein Rätsel und weiss vielleicht nur unser grosser Strippenzieher Ratzinger, der - es ist schon eine schwer kriminelle Vereinigung, unsere Mutter Kirche, die echt weiss, was sie sich alles herausnehmen kann - sich im kleinen Kreis immer noch als Grossinquisitor anreden lässt.
Deine tiefreligiösen Überzeugungen in allen Ehren. Aber gegen Kapitalismus hat Esoterik noch nie wirklich geholfen. Und schon gar keine gespenstische, nur noch aus blassen, entleibten Horrorvisionen rekonstruierte Massenversion von Esoterik. Und schon überhaupt nicht hilft das Glauben an die Macht sexueller Unterdrückung, Frauenverachtung, Bluträusche und alle anderen sadistischen Exzesse, nicht zu vergessen die gute alte uniformfixierte Hörigkeit, gegen einen tatsächlich zum Spektakel übergelaufenen Kapitalismus. (Habe ich dich richtig verstanden, du meinst der kritische Beitrag unserer Mutter Kirche habe in jüngster Zeit nur noch darin bestanden, via Kondomverbot unserer modernen Pest AIDS dabei zu helfen, die dem globalisierten Verwertungsprozess als unbrauchbar erscheinenden Bevölkerungsteile der dritten, vierten und fünften Welt zu entsorgen, und ausser als internationaler Bestattungsunternehmer sei Rom dem Kapital nicht mehr zu Diensten?) Interessanter Gedanke. Leuchtet mir ein. Das seit Jahrhunderten betriebene Geschäft, dem bösen, niederträchtigen Spiel mit der verkauften Lebenszeit einen entsprechend betrügerischen, höheren Sinn zu stiften, scheint der Christenverein ja an die große Konkurrenz im Opiumhandel, der geilen Mutter Media, verloren zu haben. Und die hat es binnen kürzester Zeit geschafft, das vom Hl. Stuhl in über 1000 Jahren Mythenbildung evozierte Bedürfnis nach Weltdeutung, aus der dann auch bekanntlich die dornenfrei Rose der Aufklärung entsprang, vermittels ihrer Dienstsleistung Information, geradezu restlos wieder wegzuzüchten. Heute ist es ja letztlich wurscht, ob du die Süddeutsche Zeitung liest, oder dich ins Solarium, oder vor sonst eine Strahlenkanone legst. Erfahren tust du so oder so nichts vernünftiges; und außer braun zu werden, passiert auch nichts wesentliches. (Der SZ-Feuilletonmann Wilms, ein schwer angeschlagener ewiger Realschullehrer, der leider was anderes geworden ist, nämlich Journalistendarsteller in z. T. sogar leitender Funktion, regt sich heute mit flaming lips (pardon) will sagen, künstlichem Schaum vorm Mund im Kulturteil darüber auf, dass der alte Nazi Nolte von einer CDU -Stiftung irgend einen Deutschland-Sieg Heil! -Preis bekommt, und irgend ein Professor und Vorstand eines Münchner Instituts für Zeitgeschichte die Laudatio für den Streiter um die wahre Geschichte des Holocaust ( Es war präventive Notwehr; und es war natürlich eine "asiatische Tat") halten wird, gerade so, als ob der Nolte so einen Preis nicht eben verdient hätte, und als ob solche Institute vom Staat nicht genau für solche Anlässe bezahlt werden würden. Und dabei traut sich dieses arme Schwein Wilms noch nicht mal Klartext zu reden, sondern schleimt vor den Autoritäten der neuen deutschen Ideologie derart wischiwaschi herum, dass der normale Mitläufer und SZ-Anhänger wahrscheinlich gar nicht versteht, was der honorige Wilms eigentlich gegen den ebenso honorigen Herrn Nolte hat und sich am Schluss dann doch lieber nur die Überschrift dieser windigen, feigen Philipika merken wird, nämlich das schneidige Die Fahne Hoch! Lieber Frühauf, es freut mich, dass dich dieses Konzert in der Frankfurter Uni mit Glück erfüllt hat, denn angesichts dieses rasend um sich greifenden Unglücks allerorten, muss man wirklich um jedes Quentchen dankbar sein, das einen nicht in die Depression hinunterzieht, nicht zuletzt weil - happyness is a warm gun.
Zur Meisterschaft: Danke für die Gratulation und Glückwunsch zum Erreichen der internationalen Spielklasse plus gewonnener Stadtmeisterschaft (wird nicht wieder vorkommen, glaub mir; nicht, wenn sie den Rocke Santa Cruz endlich richtig aufspielen lassen). Doch. Das war schon schön, den Sammy Kofour auf dem Rathausbalkon mit der Meisterschale in der Hand stehen zu sehen und zu hören wie er singt, dass wir weiß-rote Trikots wollen, weil - Es stimmt ja. Wir wollen weiß-rote Trikots, wir wollen weiß-rote Trikots. Aber dass sich diese Werksmannschaft SO DUMM anstellt und in Haching nicht mal ein Null zu Null über die Bühne bringt, das ist schon sensationell gewesen. Ach was. Das war ein Wunder! Nichts anderes. Der liebe Gott ist Antifaschist. Der mag nicht, dass eine Showtruppe eines I-G.-Farben-Ablegers deutscher Meister wird. So wirds wohl sein.
Und damit zur nächsten Himmelsmacht - dem Wetter. Für die Jahreszeit zu kühl würde ich sagen, obwohl sich unsere Bauern natürlich über den Regen freuen, und so ein paar retardierende Momente mitte Mai auf dem highway to summer letzlich doch zu einem Klima passen, das durchaus der Jahreszeit entspricht. Womit ich am Ende also wieder auf dich zurück komme. Flaming Lips, werde ich mir merken und anschauen, wenn sie hier mal spielen. Bis dahin schaue ich mir Pam´s Lips an auf dem einschlägigen Hochzeitsvideo von Pam und Tommy Lee, ein Filmchen, das mir der junge Kollege Gerd "The Bomber" Müller gestern abend in der Oper geliehen hat, da ich dachte, das Video sei ein Klassiker und gehörte neben Eisenstein, Fellini, Scorsesee, Leone, The Big Lebowsky und Fassbinder in jede gute Videosammlung. Tatsächlich ist es bis auf die über den Streifen verstreuten zwei einhalb Minuten, in denen Pam aber dann doch einen korrekten job macht, nur das kindische, lustige home&familyvideo das Hans und Lieschen Müller in Amerika frisch verheiratet von sich selber drehen, wenn sie einen zuviel gekifft haben. Schön ist immerhin, dass sich Pam vor der Hochzeit - von Tommy Lee mit der Kamera in der Badewanne überrascht - tatsächlich like a cheerleader, virgin, Landei, whatever ziert und ihre Titten züchtig hinter verschränkten Armen versteckt und erst nachdem tags darauf die Ringe getauscht sind, ihrem Tommy Lee freie Bahn lässt.(Mit der Kamera, mein ich, denn gevögelt hat die Gute hoffentlich schon vor der Ehe). Was dann im Video an Sex kommt, kennt jeder aus den eigenen Flitterwochen. Blow jobs während der Autofahrt, auf der Motorjacht und wieder auf der Motorjacht. Und Tommy Lee schaut an einer Stelle so naiv froh und irgendwie selig stolz in die Kamera, nachdem er seine Pam mit Sperma bekleckert hat, dass man wirklich meinen könnte, der gute Mann hat neben seinem durchaus respektablem Schwanz, ein schlimmes Orgasmusproblem und freut sich wirklich, wenn er ausnahmsweise auch mal kommt. Ach ja. Prüdes Amerika, arme Pam, (denn die scheint sich -wenigstens im Film - damit abgefunden zu haben, dass ihr Stecher euphemistisch gesprochen, sexuell eher egozentrisch ist). Aber was geht mich das eigentlich an? Eben. Ihre Sache.
So, mein lieber Herr Turbokapitalist. Damit bin ich am Ende des heutigen Briefes, der etwas lang geraten ist, und in Abwegen sich verlief, weil ich mich vor einer Arbeit drücke, die ich hasse. Eigentlich hätte ich nämlich letzte Woche schon eine Projektbeschreibung dieses komischen E-Mail-Romanzeugs hier schreiben sollen, damit mich eine Versicherung sponsort und ich meine Miete bezahlen kann. (Allein schon der Gedanke, erscheint mir so lachhaft, dass es mir graust, da jetzt wirklich ernsthaft darüber nachzudenken, wie ich einem Versicherungsfritzen klar machen soll, was das hier für ein Buch wird.) Aber es hilft ja nichts. Also mach ich hier Schluss und saug mir irgend einen Werbekonzeptquatsch aus den Fingerspitzen bis das Blut kommt.
Schöne Grüsse und beste Wünsche
Andreas"
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aus: Sie Haben Post, Ein-United-Artists- E-Mail-Entertainment-Roman, 1999/2000, unpublished until yet
ohne Titel
Werter Freund,
die Offenlegung des dritten Geheimnisses von Fatima kurz vor dem 80. Geburtstag des Heiligen Vaters, Seiner Heiligkeit Johannes Paul II, war eine Sensation. Immerhin hätte er zu Zeiten streikender Werftarbeiter in Danzig ja auch einfach so behaupten können, dass das dritte Geheimnis Lech Walesa als wieder auferstandenen Sohn Gottes oder eine Gehaltsstufe darunter prophezeit hat. Was ich sagen möchte, der Papst und seine hinter ihm stehende Mafia haben ja bei einer Milliarde Menschen das Monopol auf Sinngebung und Wahrheitsfindung. Sie hätten jederzeit dieses ominöse dritte Geheimnis willkürlich oder gezielt einsetzen können. Das haben sie aber nicht getan, und das findet meine Zustimmung. Die Berichterstattung über diese sensationelle Enthüllung ist mir zu gering ausgefallen: Blocküberschrift, Sonderseiten, ARD-Brennpunkt, Live-Übertragungen vom Petersplatz und Schaltungen nach Fatima, fanatisierte südländische Weiber, die den Rosenkranz beten und sich selbst kasteien, das alles habe ich, der sich in letzter Zeit zum einen als Turbokapitalist und zum anderen als Radikalkatholiken betrachtet, vermisst. Ich kann den Eindruck nicht verdrängen, dass der Vatikan der Globalisierung hinterhinkt. Im Grunde war es ein Armutszeugnis, ein derartiges Ereignis in der Gesellschaft des Spektakels einfach so an der Öffentlichkeit vorbei zu lancieren, tut schon weh. Man hätte das Attentat auch als Beleg für die Unfehlbarkeit des Papstes interpretieren können. Gerade mir, der ich doch seit Jahren aus absoluter Überzeugung Monat für Monat Kirchensteuer entrichte. Überzeugung heißt für mich nicht Glaube, da ich die Frage nach Gott für die Menschheit im allgemeinen als vernachlässigenswert erachte, da gibt es dringlichere Fragen. Nein, die katholische Kirche hat in den letzten Jahren mit ihrer Kapitalismuskritik interessantere Beiträge geliefert als die gesamte Sozialdemokratie seit ihrem Bestehen. Darüber hinaus ist der Unterhaltungswert unglaublich groß. Die Forderung, auf jegliche Verhütung beim Geschlechtsakt im Aids-Zeitalter zu verzichten, stösst nicht auf meine Zustimmung, da ich bislang immer Vorsorge getroffen habe, bzw. mein weibliches Pendant. Allerdings habe ich immer noch im Hinterkopf die Theorie von Passolini, dass die sexuelle Enttabuisierung im Interesse des Kapitals und seiner Verwertungsmechanismen gelegen hat. Die Konsequenz war die Zerstörung des Ideals der Familie. Und dieser Passolini hat schon damals, noch bevor er von einem Stricher in Ostia im Auftrag der Faschisten ermordet wurde, auf den schwindenden Einfluss der Kirche hingewiesen. Das Kapital braucht die Kirche nicht mehr. Und da sind wir heute angelangt. Und vor diesem Hintergrund hätte ich die Enthüllung des dritten Geheimnisses gigantomanisch aufgeblasen. Das Merkmal unserer Epoche ist die Megalomanie und wenn man so will, ist alles "sensational", wie es die Kollegen aus der Werbebranche formulieren würden. Und bei den Themen Spektakel und Gigantomanie wären wir bei den Flaming Lips, schon seit über zehn Jahren eine meiner absoluten Lieblingsbands. Die spielten am Freitag im Rahmen einer Tour des Labels Cityslang an der Uni. Die drei anderen Bands waren auch interessant, ich möchte an dieser Stelle nur an die fantastischen Lambchop hinweisen. Die Flaming Lips waren nicht nur fantastisch, sie waren grandios, umwerfend. Ein Konzert das mich in seiner theatralischen Schönheit fast zu Tränen rührte. Dieser Wahnsinn hat mir den Glauben an die Menschheit wiedergegeben. Vor Erregung zitternd ging ich nach dem Konzert nach draußen, um mich meinen Kumpels mitzuteilen. Ich war von Glück erfüllt. Und wie lautete die Reaktion meiner Kumpels, sie seien ob des schlechten Sounds schon nach fünf Minuten rausgegangen. Mit einem Nachwuchskünstler vom Städel stritt ich mich fast. Der bezeichnete dieses Ereignis als schwachsinnigen Größenwahn. Ich kann Dir die Flaming Lips nur empfehlen, sollten sie in Deiner Nähe auftreten. Der letzte Spieltag war dann das Sahnehäubchen, ich möchte Dir zur xten Meisterschaft gratulieren. Dass Bayern diesen Erfolg Haching zu verdanken hat, und 1860 als souveräner Stadtmeister zumindest international vertreten ist, verschafft mir Genugtuung. In diesem Sinne eine spannende Woche, möge Dein Weg von der heiligen Dreifaltigkeit gesegnet sein und die Mutter Gottes nicht vergessen, Amen
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Montag, 22. Mai 2000 17:24 von Otteneder/München an Frühauf/Frankfurt
Happyness is a warm gun
Grüß Sie Gott, Sie Radikalkatholik,
und auch von hier aus natürlich ein herzlicher Gruß, verbunden mit dem innigen Wunsch, dass dieser elende Woityla, diese schlimmste Menschheitsgeissel seit - sagen wir - der Erfindung von Kampfgas, endlich zur Hölle fahren soll, wo dieser verkommenen Lemure der Gegenaufklärung schon die längste Zeit ein Logenplatz freigehalten wird. Machen wir uns doch nichts vor. Dieser polnische Büttel hat seine Schuldigkeit getan. Was den noch am Leben hält, ausser den Morphiumspritzen, dem schlechten Gewissen und den alten Kontakten aus vergangenen Fronttagen (Loge P2, Banco Ambrosia, CIA, Opus Dei) ist mir ein Rätsel und weiss vielleicht nur unser grosser Strippenzieher Ratzinger, der - es ist schon eine schwer kriminelle Vereinigung, unsere Mutter Kirche, die echt weiss, was sie sich alles herausnehmen kann - sich im kleinen Kreis immer noch als Grossinquisitor anreden lässt.
Deine tiefreligiösen Überzeugungen in allen Ehren. Aber gegen Kapitalismus hat Esoterik noch nie wirklich geholfen. Und schon gar keine gespenstische, nur noch aus blassen, entleibten Horrorvisionen rekonstruierte Massenversion von Esoterik. Und schon überhaupt nicht hilft das Glauben an die Macht sexueller Unterdrückung, Frauenverachtung, Bluträusche und alle anderen sadistischen Exzesse, nicht zu vergessen die gute alte uniformfixierte Hörigkeit, gegen einen tatsächlich zum Spektakel übergelaufenen Kapitalismus. (Habe ich dich richtig verstanden, du meinst der kritische Beitrag unserer Mutter Kirche habe in jüngster Zeit nur noch darin bestanden, via Kondomverbot unserer modernen Pest AIDS dabei zu helfen, die dem globalisierten Verwertungsprozess als unbrauchbar erscheinenden Bevölkerungsteile der dritten, vierten und fünften Welt zu entsorgen, und ausser als internationaler Bestattungsunternehmer sei Rom dem Kapital nicht mehr zu Diensten?) Interessanter Gedanke. Leuchtet mir ein. Das seit Jahrhunderten betriebene Geschäft, dem bösen, niederträchtigen Spiel mit der verkauften Lebenszeit einen entsprechend betrügerischen, höheren Sinn zu stiften, scheint der Christenverein ja an die große Konkurrenz im Opiumhandel, der geilen Mutter Media, verloren zu haben. Und die hat es binnen kürzester Zeit geschafft, das vom Hl. Stuhl in über 1000 Jahren Mythenbildung evozierte Bedürfnis nach Weltdeutung, aus der dann auch bekanntlich die dornenfrei Rose der Aufklärung entsprang, vermittels ihrer Dienstsleistung Information, geradezu restlos wieder wegzuzüchten. Heute ist es ja letztlich wurscht, ob du die Süddeutsche Zeitung liest, oder dich ins Solarium, oder vor sonst eine Strahlenkanone legst. Erfahren tust du so oder so nichts vernünftiges; und außer braun zu werden, passiert auch nichts wesentliches. (Der SZ-Feuilletonmann Wilms, ein schwer angeschlagener ewiger Realschullehrer, der leider was anderes geworden ist, nämlich Journalistendarsteller in z. T. sogar leitender Funktion, regt sich heute mit flaming lips (pardon) will sagen, künstlichem Schaum vorm Mund im Kulturteil darüber auf, dass der alte Nazi Nolte von einer CDU -Stiftung irgend einen Deutschland-Sieg Heil! -Preis bekommt, und irgend ein Professor und Vorstand eines Münchner Instituts für Zeitgeschichte die Laudatio für den Streiter um die wahre Geschichte des Holocaust ( Es war präventive Notwehr; und es war natürlich eine "asiatische Tat") halten wird, gerade so, als ob der Nolte so einen Preis nicht eben verdient hätte, und als ob solche Institute vom Staat nicht genau für solche Anlässe bezahlt werden würden. Und dabei traut sich dieses arme Schwein Wilms noch nicht mal Klartext zu reden, sondern schleimt vor den Autoritäten der neuen deutschen Ideologie derart wischiwaschi herum, dass der normale Mitläufer und SZ-Anhänger wahrscheinlich gar nicht versteht, was der honorige Wilms eigentlich gegen den ebenso honorigen Herrn Nolte hat und sich am Schluss dann doch lieber nur die Überschrift dieser windigen, feigen Philipika merken wird, nämlich das schneidige Die Fahne Hoch! Lieber Frühauf, es freut mich, dass dich dieses Konzert in der Frankfurter Uni mit Glück erfüllt hat, denn angesichts dieses rasend um sich greifenden Unglücks allerorten, muss man wirklich um jedes Quentchen dankbar sein, das einen nicht in die Depression hinunterzieht, nicht zuletzt weil - happyness is a warm gun.
Zur Meisterschaft: Danke für die Gratulation und Glückwunsch zum Erreichen der internationalen Spielklasse plus gewonnener Stadtmeisterschaft (wird nicht wieder vorkommen, glaub mir; nicht, wenn sie den Rocke Santa Cruz endlich richtig aufspielen lassen). Doch. Das war schon schön, den Sammy Kofour auf dem Rathausbalkon mit der Meisterschale in der Hand stehen zu sehen und zu hören wie er singt, dass wir weiß-rote Trikots wollen, weil - Es stimmt ja. Wir wollen weiß-rote Trikots, wir wollen weiß-rote Trikots. Aber dass sich diese Werksmannschaft SO DUMM anstellt und in Haching nicht mal ein Null zu Null über die Bühne bringt, das ist schon sensationell gewesen. Ach was. Das war ein Wunder! Nichts anderes. Der liebe Gott ist Antifaschist. Der mag nicht, dass eine Showtruppe eines I-G.-Farben-Ablegers deutscher Meister wird. So wirds wohl sein.
Und damit zur nächsten Himmelsmacht - dem Wetter. Für die Jahreszeit zu kühl würde ich sagen, obwohl sich unsere Bauern natürlich über den Regen freuen, und so ein paar retardierende Momente mitte Mai auf dem highway to summer letzlich doch zu einem Klima passen, das durchaus der Jahreszeit entspricht. Womit ich am Ende also wieder auf dich zurück komme. Flaming Lips, werde ich mir merken und anschauen, wenn sie hier mal spielen. Bis dahin schaue ich mir Pam´s Lips an auf dem einschlägigen Hochzeitsvideo von Pam und Tommy Lee, ein Filmchen, das mir der junge Kollege Gerd "The Bomber" Müller gestern abend in der Oper geliehen hat, da ich dachte, das Video sei ein Klassiker und gehörte neben Eisenstein, Fellini, Scorsesee, Leone, The Big Lebowsky und Fassbinder in jede gute Videosammlung. Tatsächlich ist es bis auf die über den Streifen verstreuten zwei einhalb Minuten, in denen Pam aber dann doch einen korrekten job macht, nur das kindische, lustige home&familyvideo das Hans und Lieschen Müller in Amerika frisch verheiratet von sich selber drehen, wenn sie einen zuviel gekifft haben. Schön ist immerhin, dass sich Pam vor der Hochzeit - von Tommy Lee mit der Kamera in der Badewanne überrascht - tatsächlich like a cheerleader, virgin, Landei, whatever ziert und ihre Titten züchtig hinter verschränkten Armen versteckt und erst nachdem tags darauf die Ringe getauscht sind, ihrem Tommy Lee freie Bahn lässt.(Mit der Kamera, mein ich, denn gevögelt hat die Gute hoffentlich schon vor der Ehe). Was dann im Video an Sex kommt, kennt jeder aus den eigenen Flitterwochen. Blow jobs während der Autofahrt, auf der Motorjacht und wieder auf der Motorjacht. Und Tommy Lee schaut an einer Stelle so naiv froh und irgendwie selig stolz in die Kamera, nachdem er seine Pam mit Sperma bekleckert hat, dass man wirklich meinen könnte, der gute Mann hat neben seinem durchaus respektablem Schwanz, ein schlimmes Orgasmusproblem und freut sich wirklich, wenn er ausnahmsweise auch mal kommt. Ach ja. Prüdes Amerika, arme Pam, (denn die scheint sich -wenigstens im Film - damit abgefunden zu haben, dass ihr Stecher euphemistisch gesprochen, sexuell eher egozentrisch ist). Aber was geht mich das eigentlich an? Eben. Ihre Sache.
So, mein lieber Herr Turbokapitalist. Damit bin ich am Ende des heutigen Briefes, der etwas lang geraten ist, und in Abwegen sich verlief, weil ich mich vor einer Arbeit drücke, die ich hasse. Eigentlich hätte ich nämlich letzte Woche schon eine Projektbeschreibung dieses komischen E-Mail-Romanzeugs hier schreiben sollen, damit mich eine Versicherung sponsort und ich meine Miete bezahlen kann. (Allein schon der Gedanke, erscheint mir so lachhaft, dass es mir graust, da jetzt wirklich ernsthaft darüber nachzudenken, wie ich einem Versicherungsfritzen klar machen soll, was das hier für ein Buch wird.) Aber es hilft ja nichts. Also mach ich hier Schluss und saug mir irgend einen Werbekonzeptquatsch aus den Fingerspitzen bis das Blut kommt.
Schöne Grüsse und beste Wünsche
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