Donnerstag, 22. März 2007
POLLESCH DEBATTE
Im Hotel. Anruf Dummermanns, schimpft auf Marthaler, Pollesch.
Theaterversager, die einem das Geld aus der Tasche ziehen, nennt sie Dummermann mehrmals hintereinander. Theaterversager, die mir das Geld aus der Tasche ziehen, der Marthaler, der Pollesch, sonst nichts. Ich finde das lächerlich und widerspreche. Es ist nicht alles schlecht, Dummermann, entgegne ich. Du irrst. Dummermann gibt sich wütend, ist vielleicht krank? In Leipzig haust die Grippe. Natürlich haben der Marthaler und der Pollesch etwas gebracht, sage ich zu Dummermann. Nach der Aufführung der Marthalerstücke und Polleschstücke ist es unmöglich geworden auch nur ein einziges weiteres Marthaler- und Polleschstück aufzuführen. Und das ist doch großartig, Dummermann, ein großartiger Erfolg Marthalers und Polleschs.
Denk daran Dummermann: Die Kritiker lassen sich nach den zahlreichen, den zahllosen Triumphen, die der Marthaler und der Pollesch selbst den größten und wichtigsten Bühnen eingebracht haben, nicht mehr bieten, noch eine Marthaler-Revue oder noch einen „Pollesch“ vorgeführt zu bekommen. Auch wenn die Dramaturgen zusammen mit den Regisseuren, den Bühnenbildern und der Pressestelle schreien, dass in Kürze mit einer weiteren, ganz und gar neuen, triumphalen Uraufführung eines Marthaler oder eines Pollesch gerechnet werden darf. Spätestens wenn der Vorhang zu oder das Licht aus oder das Licht angeht und die Uraufführung eines neuen Marthaler oder eines neuen Pollesch für alle sichtbar über die Bühne gebracht ist, schreien dann die Kritiker Aufhören, das ist ein schlechter Pollesch! Oder: Der Marthaler konnte das sehr viel besser! Oder sie schreien nach Väth, Westbam, Rainald Goetz und einer gerne auch nackt auftretenden Nachwuchsschauspielerin aus dem Burgenland, ohne zu wissen, dass Väth, Westbam, Rainald Goetz und die gerne auch nackt auftretende Nachwuchsschauspielerin aus dem Burgenland schon längst bei Marthaler oder bei Pollesch mitgespielt haben. Infantile Gesellschaftspossen oder deutsches Oberbiedermeier werden die Kritiker anprangern, wenn ihnen noch so ein Marthaler vorgesetzt wird oder noch so ein Pollesch, wie perfekt und kongenial inszeniert auch immer. Oder sie laufen nach den selbstverständlich professionell funktionierenden Schlussovationen des durch die Freikartenpolitik des Intendanten korrumpierten Uraufführungspublikums mit wehenden Mänteln, ihre Schals in den Händen, wie Gejagte aus dem Zuschauerraum und erklären, das sei kein Theater gewesen, sondern Sprechdurchfall und Beschäftigungstherapie für Logospastiker, was ihnen da nun eben ein dilettierender Wiederholungstäter als das neueste Pollesch-Stück oder als den neuen Marthaler uraufgeführt habe. Und das ist doch großartig, Dummermann, nicht!

Ich wünsche mir, dass die Walser und der Fosse endlich auch so eine Leistung schaffen wie sie der Pollesch und der Marthaler zum Glück schon geschafft haben. Die Walser und der Fosse und natürlich auch alle Ostermeiers, Kriegen- und Meyerburgers, Lohers und nicht zu vergessen alle Autoren des so genannten neuen englischen Boulevardtheaters von der großen Sarah Kane bis hinunter zu noch unbekannten irischen, französischen oder baltischen Absolventen so genannter Schulen für das dramatische Schreiben. Sie alle sollten ihren Marthalererfolg und ihren Polleschtriumpf feiern und zwar so eindrucksvoll und so bald wie möglich. Nichts wäre mir lieber, als die vollständige Durchsetzung des zeitgenössischen Theaters, wie es von den Genannten verstanden, gemacht und für viel Geld vertreten wird, auf allen deutschsprachigen Bühnen, ausnahmslos.

Ich wünsche mir noch mehr Chöre, Dummermann, sage ich zu Dummermann, Massenaufmärsche, noch viel mehr Schauspieler, die auf der Bühne permanent verrückt spielen und sich grundlos Sätze entgegenbrüllen, die keinen Sinn außer sich haben, aber das so laut oder so leise oder so unverständlich und so wenig rational nachvollziehbar wie möglich und selbstverständlich mit weit aufgerissen Augen und in einer total lächerlichen Kostümierung, während dazu ein Video abgespielt wird oder ein Stofftier zerrupft werden muss oder eine Damenfeinstrumpfhose oder alles zusammen zur gleichen Zeit, wenn es sich um ein Echtzeittheaterstück handelt oder eine so genannte Operninszenierung!

Theaterversager, die einem das Geld aus der Tasche ziehen, das kannst du so nicht sagen, Dummermann. Theaterversager, die einem das Geld aus der Tasche ziehen, kannst du nur sagen, weil du dich mit Pollesch nicht beschäftigst und weil du Marthaler wahrscheinlich nicht verstehst und weil du mit Sicherheit einen Satz wie „Theater, das ist auch Krieg!“ oder „Theater, das ist auch Angst!“ oder „Theater, das ist auch Scheitern!“ oder „Theater, das ist auch nicht Theater!“, nicht nur ablehnst sondern überhaupt nicht begreifen willst, solche Sätze aber zweifellos in das Repertoire eines jeden gehören, der sich kompetent und mit Würde über Pollesch oder über Marthaler und über das zeitgenössische Theater im Allgemeinen und insbesondere Schlingensief äußern darf, weil er weiß, was in einer Hochschule für kreatives Schreiben gespielt wird. Theaterversager, die einem das Geld aus der Tasche ziehen ist auch keine Kritik, sondern normal, vollkommen normal sogar. Geradezu uninteressant normal. Was willst du überhaupt, Dummermann, frage ich Dummermann. Schuld sind doch die Verhältnisse! Und du als Verleger, gerade du als Verleger, weißt doch ganz genau, wie die Verhältnisse sind. Nicht nur ich bin verschuldet. Du doch auch! Außerdem: Du, Dummermann, gehst nur einmal pro Monat ins Theater. Ich gehe dagegen drei mal pro Monat ins Theater, also habe ich drei mal soviel Recht, das ist doch völlig klar, Dummermann, nicht? Dummermann brach nach diesem letzten Satz ohne ein weiteres Wort zu sagen die Unterhaltung ab. Das Telefon hatte das Netz verloren, womöglich ein Funkloch. Oder war es nur ein Traum? Auch nach der Niederschrift, gerade nach der Niederschrift weiß ich es nicht zu sagen. Tagesdosis Prozac inzwischen bei sieben Stück. Essen gut, kann nicht klagen.

aus: SCHLECHTER STERN ÜBER LEIPZIG
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Mittwoch, 21. März 2007
Professor Dr. C. O. Berzelmeier traute seinen Ohren

kaum, und auch sein etwas älterer Kollege zeigte sich nicht schlecht überrascht, als an einem milden Frühlingstag im Juno 1968 gegen 10.38 Uhr die Nachricht im Büro der Firma Kindergarten eintraf, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nun doch reelle Chancen haben würden, in absehbarer Zeit einen Menschen erfolgreich auf den Mond zu schießen. Was wohl der alte Heisenberg dazu sagen wird, fragte dann Berzelmeier und kratzte sich wie selbstvergessen an der Wange.

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Montag, 19. März 2007
ENGLISCHER GARTEN. 1993. Samstag. 13. März
Quelle: "speak" Akten All, München, 1995 (Bearbeitung)


1993. SAMSTAG, 13. MÄRZ

Sehr beschwingt. Mit Clooney im Englischen. An Brief und Rosenmontags-Elegie. Gut voran. Die Welt am Morgen. Das blaue weite Banner dieses Tages. Aufbrechen. Losziehen. Ja. De Niro und Damond seit Tagen in Schladming. AZ-Titel: Der Frühling ist da! Im Wagen staut sich die schlierende Hitze des blutjungen Jahres. Im Garten liegt noch Schnee. Frühling? Ziemlich versifft noch alles. Die Straßen, das Pflaster, die Plätze, die Stadt. Und erst recht auf den Wegen hinunter zum Fluss, wo uns die Sand- und Schotterwege sich zwischen Bächen und schmalen Kanälen durch den Park windend schließlich an den Turm führen werden: überall Schneematsch und fiese schlammige Pfützen, zwischen dem abtauenden, nässenden Eis. Aber was willst du? Die Sonne scheint. Endlich. Wir müssen das feiern. Setzten wir also unsere verspiegelten schwarzen Brillen auf. So sind wir, wie jedes Jahr um diese Zeit, von oben, der Uni her kommend, halbrechts, stromaufwärts am Eisbach entlang, hinüber spaziert, bis zur Prinzregentenstraße hinauf, zu den Surfern. Anschließend dann wieder retour. Auch dieses Jahr wie nach jedem Winter durch die blattlosen Sträucher am Ufer über das schmale, im Sommer dann natürlich versteckte Stück Rasen, zur Brücke zurück, an den Platz, an dem sich die Wege kreuzen, die einen von da aus entweder nach Freising, oder zum Mangfall, hinunter an den Fluß oder zurück an die Schwabinger Prachtstraße bringen würden. Ein paar Schritte, und es fängt sich der Blick in den überschaubaren Weiten der Wiesen. Noch liegt hier keiner und schweigen die Trommeln. Direkt vor uns, auf seinem Tempel-Bergerl, throhnt geduldig der alte Monopterus, steinerner Herbergsvater der Gammler genannten Acid- und Lambruscoheads früherer Tage und wartet bis wieder wer kommt, und fragt, ob was geht, wer was hat oder braucht. Darüber erstreckt sich der Himmel so blau, so bekannt. Wie immer im März, so auch heuer und in alle Ewigkeit, aber ja. Unter den noch kahlen Bäumen gehen und schweigend weiter immer weiter gehen, diesen seit weit über 100 Jahren gut ausgetretenen Pfad durch den Englischen Garten, geschenkt der Stadt München, ihren Bürgern und Besuchern sowie auch dem einfachen Volk zur freien und kostenlosen Vergnügung von den kunstsinnigen Regenten des bayerischen Herrscherhauses derer von Wittelsbach, lang, lang ist´s her.

(Wer die Fortsetzung lesen will, klickt links oben auf dieser Site den Button Themen und findet in der Rubrik AUS DEM ARCHIV die Teile II und III dieses Beitrags.)

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Sonntag, 18. März 2007
Nachrichten
Deutsche Massen-Medien behaupten: In einigen Städten (Washington D.C., Madrid) wurde gestern "gegen den Irak-Krieg" demonstriert. Diese Behauptung ist irreführend. Richtig ist: An einer Kampagne haben sich erheblich weniger Menschen beteiligt, als von den Veranstaltern in ihren Szenarien berechnet.
Auch deshalb findet in diesen Stunden vermehrt TV-Berichterstattung statt, in der von Übergriffen nicht näher bezeichneter US-Polizei- und Sicherheitsbehörden gegenüber sogenannten Zivilisten/Demonstranten die Rede ist, und in der ein nicht näher erklärter Friedenswille insbesondere der deutschen Bundeskanzlerin gegenüber wem und was auch immer ebenso unklar wie deutlich exponiert zur Sprache kommt.

Seit ihrer Rückkehr aus Polen sind im journalistischen Umfeld von Frau Dr. Angela Merkel private Bilder aufgetaucht, die in den einschlägigen Zirkeln des Berliner Politikbetriebes die Sorge laut werden ließ, ob die Geschichte, insbesondere die der deutsch-polnischen Beziehungen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht völlig neu geschrieben werden müsse.
A. Merkel    L. Kaczynski
Sind es, bellt Baring in seiner Frankfurter Residenz plötzlich
wie verrückt, in Wahrheit Drillinge?

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Samstag, 17. März 2007
nearly perfect shining face
Tinte/Papier/videoshot/iPhoto
Tinte Papier Videoshot iPhoto

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Donnerstag, 15. März 2007
ALTER HUT. BEI MÄX JIBZ JÄZ AUCH
HÄ! WAS?



WIE?



ACH SO



JA DANN



JA DANN NEHM ICH DOCH DEN



WIE BITTE?



WAS JIBBET?



WIE? WELCHEN?













NA DANN NEHM ICH DOCH DEN MIT DEN BLAUBÄRN





JA BITTE, DANKE. UND EIN EURO ZEHN RETOUR

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Dienstag, 13. März 2007
HEUTE MORGEN
so gegen halbe Neune, fiel mir wieder ein, tatsächlich, von allen Leuten die ich kenne, höre oder lese hat jeder zumindest einen Bekannten in Berlin. Jeder hat einen Bekannten in Berlin. Und wenn einer mal zufällig keinen Bekannten in Berlin hat, dann nur, weil er ein Bekannter in Berlin ist. So schaut es doch aus. Sofort rief ich den Ulf an, weil ich Insider bin und weiß, dass der Ulf mit seiner Truppe seit Stunden schon in der großen Frage schwitzt, woher er den Hammer der Woche, das heiße Eisen für den deutschen Schüttler, die Bombe, ach was die Groß-Mutter (Omi) aller Bomben wieder mal ins Magazin bekommt, denn der Ulf, für alle, die den Ulf nicht kennen, ist der verantwortliche Chef-Redakteur von fast 100 Millionen Zacken, die er binnen zwölf Monaten unter die Leute bringen muss (raushaun). Und das ist eine ungeheuer schwere Arbeit, das ist so extrem schwierig, komplex, kompliziert, eine fast nicht zu schaffende Leistung ist das, so von Insider zu Insider geflüstert, die natürlich nur absolute Top-Leister schaffen wie der Ulf, selbstverständlich nicht immer, nicht ständig, weil selbst die superbesten Spitzentop-Leister (Premium) und manchmal selbst Ulf nicht voll die Spitzentop-Leistung aus sich herausholen können. Warum? Ganz dumme Frage. Weil sie in jeder Sekunde absolut unter enormem Druck (Erfolg! Ulf! Erfolg!) stehen natürlich. Und wer das nicht versteht ist kein Insider, völlig klar. Fast 100 Millionen Zacken raushaun! In nur zwölf Monaten! (Maximum!) Das muss sich ein Mensch (Zielgruppe) erst mal ganz praktisch vorstellen, wie schwer so was ist, schwierig, wie einen das herausfordert, täglich, stündlich, und am härtesten ist es natürlich in der Redaktionskonferenz. Das, Mensch, ist schon keine Arbeit mehr, das ist der Wahnsinn. (Und eben Berlin, wie gerade neulich wieder so ein Bekannter in Berlin mir versichert hat) Aber wir nennen es Leidenschaft. Hat einer dann aus dem Team aus der Muschel gehaucht. Und ich hab ihm, dem Mann aus dem Team erwidert,hör bitte auf zu heulen, es ist okay und es ist alles klar, aber gib mir jetzt bitte den Ulf, Tom Nummer 2, denn verstehst du, Irene, ich muss jetzt sofort den Ulf sprechen, ja doch, es ist dringend, und sag ihm, und am besten in Englisch, ich habe die story für ihn, das reh aale Ding, mit dem alles gut wird, ja alles. Und dann raschelt es in der Leitung, und endlich, ist der Ulf endlich am Apparat. Und ich sage sofort, also ganz ohne Schmusing (Socializing) von wegen dem Angie und der Gursky, sage ich nur, Ulf, hör zu, Folgendes, egal woran ihr auch dran seid aktuell, vergesst es, hör mir zu Ulf, du machst dich jetzt sofort flexibel, geschmeidig und locker, versuch jetzt mal bitte nur für schlappe drei Sekunden, also wie du immer so richtig sagst, liberal UND revolutionär, Elite UND Avantgarde, Jing UND Jang, Slick UND Do –

Meine Güte, es ist echt hart. Sogar mich langweilt der Typ mit seiner aufgeblasenen Hinterwelt inzwischen so massiv, dass ich schon jetzt, nach noch nicht mal 500 Zeichen und eigentlich auch unmittelbar vor der Schlusskurve überhaupt keine Lust mehr habe, an dieser Stelle weiter zu schreiben, gar zu denken.
Wie gelangweilt, müde und beschissen müssen sich dann erst Leute fühlen, die sich diesen wöchentlich gemachten Haufen Hauptstadtkultur kaufen und dann auch noch wegzulesen haben. Von den Bekannten in Berlin, die dieses nackte Elend ihr Leben lang bevölkern, ganz zu schweigen.

– Wie bitte, totgeritten?
– Absolut totgeritten
– Finds´d echt?
– Total
– Kommt trotzdem
– Warum, hau´s doch weg?
– Warum? So schlecht?
– Naja, Bekannte in Berlin, a bissl dünn
– Hm
– Und? Auf was wartst? Hau´s halt weg jez?
(schüttelt den Kopf)
– Und warum ned?
– Es kann nicht alles gelingen.

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