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Freitag, 11. September 2009
ZYNISMUS
the great gate, 12:46h
Gestern ist in einer Berliner Müllfabrik ein Gerüst umgefallen und hat drei Lohnabhängige unter sich begraben. Laut offizieller Angaben war das Gerüst mangelhaft gesichert.
Frage an die Herren Scholz vom Ministerium und Westerwelle, der dem Scholz die Vorgaben der deutschen Industrie in Gesetzesform gießt: Seid ihr jetzt zufrieden?
Die ausführende Firma hat sicher alles unternommen, was ihr euch unter einer freien und sozialen Marktwirtschaft vorstellt.
Gerüste sind unproduktiv und teuer. Die labilen Gewerke auch noch nach allen Regeln der Kunst unfallsicher zu montieren kostet erst recht Zeit und Geld. Nur wenn so ein Ding mal umfällt oder zusammenbricht, weil tragende Teile alt und morsch geworden sind, bringt es auch was für „eure“ Wirtschaft, Scholz & friend Schwesterwelle. Dann muss nämlich ein neues Gerät her, das das kaputte ersetzt. Und das ist dann „produktiv“ und ein Beitrag zu dem, was ihr „Wachstum“ nennt, nicht wahr.
Freut euch also, Herr Scholz, Herr Westerwelle. Was besseres als der gestrige „Unfall“ kann euch und eurem Aufschwung gar nicht passieren.
Das umgefallene Gerüst, das offenbar zu alt war, um es vernünftig abzusichern, ist jetzt Schrott und kann durch ein neues ersetzt werden, in dem solche Sicherungen dann schon als innovatives „System-Modul“ im technischen Design integriert sind, damit der ausführende Unternehmer und sein Auftraggeber an solche zeitraubenden Handgriffe zur Gerüstsicherung gar nicht erst denken müssen bei der Kalkulation ihrer Kostenvoranschläge, und eben an solche Unfälle die eben passieren, wenn so lohnabhängige Leutchen so Sicherungsmaßnahmen unterlassen – weil sie entweder lebensmüde, dumm, besoffen oder eben dazu aufgefordert sind, die Wartung, die sie eben nur auf dem Gerüst durchführen können, nicht nur so schnell wie möglich, sondern im Rahmen einer vorgegebenen Zeit zu erledigen. Was sehr wahrscheinlich und also anzunehmen ist.
Scholz, Westerwelle, klar. Ihr zwei Süßen kennt das nicht. Das gibt es in eurer Welt nicht. Wenn es vom Chef heißt:
„Ihr müsst morgen noch mal rauf und nachsehen, ob die Schutzfilter über den Sensoren der Feuermelder noch der Norm entsprechen, der Kunde hat gerade angerufen und mir die Pistole auf die Brust gesetzt. Diese „Prüfungen“ macht inzwischen doch nicht mehr das Gewerbeaufsichtsamt, sondern wir. Also Gas geben, Freunde!, spätestens morgen Mittag müsst ihr mit dem Abbau fertig sein und das komplette Zeug verladen haben. Hebebühne nach Friedrichshain, geht nach Polen. Den Rest stapelt ihr am Tor, den holt die Spedition ab, die den Schrott zum Hafen karrt. Die schweren Platten werft ihr einfach drauf. Geht alles nach Leipzig zur Verschrottung."
"In Ordnung, Chef", sagt der Älteste der Drei. Und wenn ihn der Jüngste fragt, warum er dem Chef nicht gesagt hat, dass sie die Decken-Sicherung doch schon abmontiert haben und es mindestens einen halben Tag braucht, die Fixierung für die Haken wieder einzuziehen, so verschmiert und verrostet wie die sind, erklärt ihm der Chef, dass ihn nichts angeht, was er mit dem Chef bespricht und was nicht. Und dann kommt die berühmte Gegenfrage, ob er denn blöd sei. Sei ja völlig klar, dass die Decken-Haken da oben nicht mehr dran sind. Und für die eine Stunde, die sie brauchen, die Kennzeichen der Drecksfilter mit den Zahlen auf der Liste abzugleichen, werden auch sicher nicht mehr neu hingebohrt.
"Oder wollt ihr in die Überstunden, wegen der zwei blöden Haken? Meinetwegen, aber die zahlt ihr euch selber. Sind ja nicht auf dem Ponyhof, hier. Also Gas. Fürs Herumstehen und blöde Fragen stellen werden wir nicht bezahlt. Oder sind wir Rumänen?"
Und so kommt´s wie´s kommt, Herr Scholz, Fräulein Westerwelle.
Die drei von der Wartungsstelle klettern auf ihr Gerüst. Ganz rauf, oberste Plattform. Während die zwei Älteren schon mal die nicht tragenden Teile abmontieren, schaut der Junge noch die Luftfilter nach, weil er die besseren Augen hat und sich mit den Einheiten auskennt, jenseits von Festkörperphysik und DIN.
Warum so ein Gerüst dann umfällt?
Tja Scholz&Friend. Wahrscheinlich, weil es aus dem Gleichgewicht geraten ist nach einer falschen Bewegung.
Höhere Gewalt? Schicksal? Pech? Kann man so sagen, Herr Scholz.
Verstoß gegen die Vorschriften, den sich die Arbeitnehmer nicht hätten leisten dürfen und der natürlich praktisch ausgeschlossen gewesen wäre, wenn sie mehr Verantwortungsbewusstsein für sich, die Gesellschaft und ganz Deutschland gezeigt hätten? Auch richtig, Westerwelle.
Nur würde ich das an Ihrer Stelle nicht laut sagen, sonst spendiere ich persönlich den Strichern, die in München vom Schwanzlutschen leben, einen Kasten Bier für einmal „Arschaufreißen!, aber bis rauf zu den Pickeln!“, wenn Sie verstehen, was ich meine, Herr FDP-Vorsitzender.
Ich brech hier ab, weil mir immer schlecht wird, wenn ich zu lange an Leistungsträger wie diesen Westerwelle denken muss. Oder mir vorstelle, was in einem Herrn Scholz vorgeht, wenn er sich über die Vorteile der Leiharbeit für den deutschen Arbeitsmarkt so seine Gedanken macht.
Was an Zynismus noch fehlt, wären die vom Gesetzgeber unter Rot-Grün und der Großen Koalition geschaffenen Möglichkeiten der steuerlichen Abschreibung der Kosten, die sowohl bei der Entsorgung als auch der Ersetzung des Gerüsts durch das neue, mit dem oben erwähnten "Arbeitsschutz-Integral"ausgestatteten "Gerüst-System" anfallen. Und die komplementär dazu aufzustellende Rechnung, was die drei Toten für die „deutsche Wirtschaft“ effektiv geleistet haben und leisten, Stichwort Kostensenkungsprogramme, Konsolidierung der Sozialkassen, Erhöhung der Nachfrage an ausgedachten Dummheiten wie „Investitionskapital“ (WEISSGARNIX), Entlastung des Arbeitsmarkts.
Wie bitte?
Klar, Schwesterwelle. Das ist richtig. Mit einer Allianz-Vertragsgewährleistungs-Versicherung wäre das nicht passiert, da wären alle Verluste wegen zwei fehlender Haken in den Policen abgedeckt, du aufgeblasener Lutscher!
Was bitte?
Was das alles soll? Wo der Zynismus bleibt?
Ach so.
Was früher ein Gerüst war heißt inzwischen „Arbeitsbühne“.
ARBEITS BÜHNE
Also, wenn das nicht ein bisschen zynisch ist.
Ende
Frage an die Herren Scholz vom Ministerium und Westerwelle, der dem Scholz die Vorgaben der deutschen Industrie in Gesetzesform gießt: Seid ihr jetzt zufrieden?
Die ausführende Firma hat sicher alles unternommen, was ihr euch unter einer freien und sozialen Marktwirtschaft vorstellt.
Gerüste sind unproduktiv und teuer. Die labilen Gewerke auch noch nach allen Regeln der Kunst unfallsicher zu montieren kostet erst recht Zeit und Geld. Nur wenn so ein Ding mal umfällt oder zusammenbricht, weil tragende Teile alt und morsch geworden sind, bringt es auch was für „eure“ Wirtschaft, Scholz & friend Schwesterwelle. Dann muss nämlich ein neues Gerät her, das das kaputte ersetzt. Und das ist dann „produktiv“ und ein Beitrag zu dem, was ihr „Wachstum“ nennt, nicht wahr.
Freut euch also, Herr Scholz, Herr Westerwelle. Was besseres als der gestrige „Unfall“ kann euch und eurem Aufschwung gar nicht passieren.
Das umgefallene Gerüst, das offenbar zu alt war, um es vernünftig abzusichern, ist jetzt Schrott und kann durch ein neues ersetzt werden, in dem solche Sicherungen dann schon als innovatives „System-Modul“ im technischen Design integriert sind, damit der ausführende Unternehmer und sein Auftraggeber an solche zeitraubenden Handgriffe zur Gerüstsicherung gar nicht erst denken müssen bei der Kalkulation ihrer Kostenvoranschläge, und eben an solche Unfälle die eben passieren, wenn so lohnabhängige Leutchen so Sicherungsmaßnahmen unterlassen – weil sie entweder lebensmüde, dumm, besoffen oder eben dazu aufgefordert sind, die Wartung, die sie eben nur auf dem Gerüst durchführen können, nicht nur so schnell wie möglich, sondern im Rahmen einer vorgegebenen Zeit zu erledigen. Was sehr wahrscheinlich und also anzunehmen ist.
Scholz, Westerwelle, klar. Ihr zwei Süßen kennt das nicht. Das gibt es in eurer Welt nicht. Wenn es vom Chef heißt:
„Ihr müsst morgen noch mal rauf und nachsehen, ob die Schutzfilter über den Sensoren der Feuermelder noch der Norm entsprechen, der Kunde hat gerade angerufen und mir die Pistole auf die Brust gesetzt. Diese „Prüfungen“ macht inzwischen doch nicht mehr das Gewerbeaufsichtsamt, sondern wir. Also Gas geben, Freunde!, spätestens morgen Mittag müsst ihr mit dem Abbau fertig sein und das komplette Zeug verladen haben. Hebebühne nach Friedrichshain, geht nach Polen. Den Rest stapelt ihr am Tor, den holt die Spedition ab, die den Schrott zum Hafen karrt. Die schweren Platten werft ihr einfach drauf. Geht alles nach Leipzig zur Verschrottung."
"In Ordnung, Chef", sagt der Älteste der Drei. Und wenn ihn der Jüngste fragt, warum er dem Chef nicht gesagt hat, dass sie die Decken-Sicherung doch schon abmontiert haben und es mindestens einen halben Tag braucht, die Fixierung für die Haken wieder einzuziehen, so verschmiert und verrostet wie die sind, erklärt ihm der Chef, dass ihn nichts angeht, was er mit dem Chef bespricht und was nicht. Und dann kommt die berühmte Gegenfrage, ob er denn blöd sei. Sei ja völlig klar, dass die Decken-Haken da oben nicht mehr dran sind. Und für die eine Stunde, die sie brauchen, die Kennzeichen der Drecksfilter mit den Zahlen auf der Liste abzugleichen, werden auch sicher nicht mehr neu hingebohrt.
"Oder wollt ihr in die Überstunden, wegen der zwei blöden Haken? Meinetwegen, aber die zahlt ihr euch selber. Sind ja nicht auf dem Ponyhof, hier. Also Gas. Fürs Herumstehen und blöde Fragen stellen werden wir nicht bezahlt. Oder sind wir Rumänen?"
Und so kommt´s wie´s kommt, Herr Scholz, Fräulein Westerwelle.
Die drei von der Wartungsstelle klettern auf ihr Gerüst. Ganz rauf, oberste Plattform. Während die zwei Älteren schon mal die nicht tragenden Teile abmontieren, schaut der Junge noch die Luftfilter nach, weil er die besseren Augen hat und sich mit den Einheiten auskennt, jenseits von Festkörperphysik und DIN.
Warum so ein Gerüst dann umfällt?
Tja Scholz&Friend. Wahrscheinlich, weil es aus dem Gleichgewicht geraten ist nach einer falschen Bewegung.
Höhere Gewalt? Schicksal? Pech? Kann man so sagen, Herr Scholz.
Verstoß gegen die Vorschriften, den sich die Arbeitnehmer nicht hätten leisten dürfen und der natürlich praktisch ausgeschlossen gewesen wäre, wenn sie mehr Verantwortungsbewusstsein für sich, die Gesellschaft und ganz Deutschland gezeigt hätten? Auch richtig, Westerwelle.
Nur würde ich das an Ihrer Stelle nicht laut sagen, sonst spendiere ich persönlich den Strichern, die in München vom Schwanzlutschen leben, einen Kasten Bier für einmal „Arschaufreißen!, aber bis rauf zu den Pickeln!“, wenn Sie verstehen, was ich meine, Herr FDP-Vorsitzender.
Ich brech hier ab, weil mir immer schlecht wird, wenn ich zu lange an Leistungsträger wie diesen Westerwelle denken muss. Oder mir vorstelle, was in einem Herrn Scholz vorgeht, wenn er sich über die Vorteile der Leiharbeit für den deutschen Arbeitsmarkt so seine Gedanken macht.
Was an Zynismus noch fehlt, wären die vom Gesetzgeber unter Rot-Grün und der Großen Koalition geschaffenen Möglichkeiten der steuerlichen Abschreibung der Kosten, die sowohl bei der Entsorgung als auch der Ersetzung des Gerüsts durch das neue, mit dem oben erwähnten "Arbeitsschutz-Integral"ausgestatteten "Gerüst-System" anfallen. Und die komplementär dazu aufzustellende Rechnung, was die drei Toten für die „deutsche Wirtschaft“ effektiv geleistet haben und leisten, Stichwort Kostensenkungsprogramme, Konsolidierung der Sozialkassen, Erhöhung der Nachfrage an ausgedachten Dummheiten wie „Investitionskapital“ (WEISSGARNIX), Entlastung des Arbeitsmarkts.
Wie bitte?
Klar, Schwesterwelle. Das ist richtig. Mit einer Allianz-Vertragsgewährleistungs-Versicherung wäre das nicht passiert, da wären alle Verluste wegen zwei fehlender Haken in den Policen abgedeckt, du aufgeblasener Lutscher!
Was bitte?
Was das alles soll? Wo der Zynismus bleibt?
Ach so.
Was früher ein Gerüst war heißt inzwischen „Arbeitsbühne“.
ARBEITS BÜHNE
Also, wenn das nicht ein bisschen zynisch ist.
Ende
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