Freitag, 10. Oktober 2008
Paar Nebenbemerkungen
In Internetplattformen wie Blogs und Foren werden entweder simultan oder mit lediglich fünf bis zehn minütiger Zeitverzögerung Nachrichten zum jeweils aktuellen Stand der Ereignisse ausgetauscht.

Radio und Fernsehen brauchen im Schnitt mindestens drei Stunden, um aus Fakten und Werturteilen durch redaktionelle Bearbeitung ihr Bild der "Finanzkrise" auf dem für sie jeweils neuesten Stand zu justieren.

Und die Zeitungen von morgen sollten sie heute nach Redaktionsschluss eigentlich gar nicht mehr in Druck geben, weil ihre Nachrichten, Reportagen und Hintergrundberichte morgen früh, wenn dann der Schmarrn gelesen werden soll, nur noch als ein Haufen angefaulter Witze Sinn macht.

Zweitens: Valide zeitnahe Informationen zur Entwicklung der ökonomischen und politischen Lagen finden sich ausschließlich im Netz.
Wenn es keine Blogs geben würde, wüsste wahrscheinlich kein Mensch, was in diesen Wochen an den Märkten, Börsen und in den politischen Gremien passiert und verhandelt wird.


Denn Öffentlich-Rechtliche Medien und die von der Privatwirtschaft geführten Verlage agieren in dieser Finanz-Krise ganz offen und eben auch ganz offensichtlich dumm und dämlich nach Maßgabe der spezifischen Interessen ihrer Eigner.

Der Rundfunk schafft mit seinen Plasbergs "Vertrauen", auch wenn das den Restverstand des Publikums kostet.

Und Leitartikler und Angestellte der Politik- und Wirtschaftsseiten sind vorwiegend damit beschäftigt, ihr Gesicht zu wahren/waren oder ihren Arsch zu retten und folglich keinen einzigen Gedanken, noch nicht mal eine Meinung zu verbreiten, die von den Erklärungen der Regierung und den von der Industrie bezahlten "Forschungs-Instituten" abweicht.


Das alles ist zwar – verglichen mit den Ereignissen, die sich da draußen momentan abspielen – nicht wirklich wichtig, aber eben doch auch mal – – – bemerkenswert.

Vive la revolution technique!

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Donnerstag, 11. Oktober 2007
Den Spieß umdrehen
Rolle rückwärts. MG, wir machen die Rolle rückwärts, begehen Medienbruch und werden wirklich multimedial. Und analog. Wir drucken Beiträge und Kommentare aus. Wir erstellen dann im zweiten Schritt Artefakte aus diesem Blog. Wir editieren, rekombinieren und manipulieren Kopien der Ausdrucke mit den Mitteln, die (früher) auch zu Erstellung von Fanzines genutzt werden (wurden): Papier, Schere, Klebstoff, Stifte, Fotokopierer etc. Elektronische Medien, die auf Paier nicht darstellbar sind werden durch passende Zeichnungen/Collagen ersetzt.

Auf diese Weise schaffen wir

im ersten Schritt Sicherungskopien dieses Blogs bzw. ein Archiv, das gegen die Unbilden des Internets (Server kaputt, Provider pleite, Löschanschläge) geschützt ist

im zweiten Schritt Kunstwerke, die wir z.B. austellen könnten



im dritten Schritt schließlich Multiples in kleinen limitierten Auflagen handnumeriert, die wir z.B. anlässlich der Austellung(en) verscheuern

Auch ein regelmäßiger "Digest" dieses Blogs in Papierform wäre so denkbar, der für Leute, wie den Gewaltigenoder mich, die komplexere Sachen eigentlich lieber nicht auf dem Bildschirm sondern schwarz auf weiss lesen, wäre so leicht machbar.

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Dienstag, 18. September 2007
Achtung!
Achtung diesen Knopf nur im äußersten Notfall betätigen!

Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich geahndet!





Alarm


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Mittwoch, 5. September 2007
ALTENREGATTA – BLOG-PRACTICE
HINWEIS:

Die im Anschluss folgende, schriftliche Fassung des ersten Aktes wird ab Erscheinen in unregelmäßigen Abständen unter dem Titel ALTENREGATTA BLOG-PRACTICE aktualisiert. Es wird dabei nicht um inhaltliche oder formale Überarbeitungen des Manuskripts gehen, sondern um die sukzessive Umsetzung der literarischen Vorlage in weblogaffine Präsentationsformen (Animationen, Sounds, Links, Clips, etc.), die am Ende zu einer kompletten Neufassung des Original-Textes auf medientechnisch erweiterter Stufenleiter führen soll. Ohne feste programmatische Vorgaben und Zeitplan werden also von nun an Textänderungen vorgenommen, das heißt es werden Worte, Sätze, Anweisungen, Szenen durch entsprechende (auch extern produzierte) Bearbeitungen ersetzt, bis auf diese Weise der gesamte Text einschließlich dieser Konzeption in ein Beispiel seiner webspezifischen Inszenierung überführt ist.
Einzelheiten und nähere Erläuterungen zur Konzeption in medias res in den Kommentaren
Mal schaun, was passiert.


ERSTER AKT

BILD EINS

Geschlossener Vorhang
Aufheulender, sich nähernder Motorenlärm. Dramatische Orchestermusik. Vier Männerstimmen skandieren ausgelassen "Die Fäulnis triumphiert! Die Fäulnis triumphiert! Die Fäulnis triumphiert!". Dann ein jäher Schrei, lautes Krachen, Aufprallgeräusche, zersplitterndes Glas. Stille.
Der Vorhang öffnet sich. Eine sommerliche Landschaft in glühender Nachmittagshitze.
Jumfs, Oellers, Kronacher und Waldheim – etwa siebzig Jahre alte Männer in gedeckten Herrenanzügen – am Straßenrand. Neben den Alten, unter einer Linde, das rauchende Wrack einer deutschen Limousine. Hinter einem etwa 2 Meter großen Marterl in Gestalt eines Kruzufixes erstreckt sich der Tegernsee. Die Männer verharren bewegungslos im Schatten des Baumes inmitten eines Haufens leerer Bierflaschen. Waldheim> und Oellers sitzen, Kronacher steht neben dem Autowrack. Die drei sind nur leicht lädiert. Etwas abseits, in der prallen Sonne, lang ausgestreckt auf dem Rücken liegend, der schwer verletzte Jumfs. Er röchelt leise.
Nachdem die Alten etwa zwanzig Sekunden in ihren Positionen verharren, beobachtet der am Boden kauernde Waldheim den neben ihm hockenden Oellers, der eine leere Bierflasche gegen das Licht hält. Dann dreht sich Waldheim nach dem neben ihm stehenden Kronacher um, der kopfschüttelnd in das Innere des Autowracks schaut. Dabei bemerkt Waldheim den röchelnden Jumfs.


Waldheim
Wir sollten, denke ich doch, umgehend den Sicherheitsdienst verständigen

Oellers
Ich habe getrunken

Kronacher wendet sich an Waldheim.
Ich lehne es ab, für bestimmte, mit dem Einsatz der Behörde in die Wege geleiteten Eventualitäten auch nur die geringste Verantwortung zu übernehme.

Oellers lässt die leere Bierflasche fallen.
Wie gesagt, ich habe getrunken, aber ich habe keine Erklärung

Kronacher
Das ist ja sehr interessant

Waldheim betrachtet den röchelnden Jumfs.
Jumfs? Können Sie mich hören? Haben Sie vielleicht eine Erklärung?

Jumfs hustend
Wie bitte?

Waldheim
Erinnern Sie sich? Artur?

Jumfs hustend
Wie bitte?
Mein Kopf

Waldheim erhebt sich und schaut mit Kronacher in den Fonds des Autowracks.
Diese Hitze!

Kronacher
Was sagen Sie, Waldheim?

Waldheim
Jumfs, im Wagen, nicht wahr? Auf dem Weg zum Tegernsee: Diese Hitze! Erinnern Sie sich?

Kronacher wischt sich mit einem weißen Taschentuch die Stirn.
Ja ja. Dass sie unerträglich für uns geworden ist. Diese Hitze

Waldheim
Unerträglich. Diese Hitze!

Kronacher
So Jumfs im Wagen, ja, ja

Oellers wendet sich an die beiden Stehenden.
Dass sie nicht auszuhalten ist! Diese Hitze!

Waldheim
Unglaubliche Luftverdichtung

Oellers
Man probiert die Atmung und meint DARAN zu ersticken, so Jumfs im Wagen

Waldheim
Nicht die geringste Luftbewegung. Absoluter Luftstillstand

Oellers
Da kann man nicht atmen

Kronacher
Da zerreißt es einem die Lungen. Das waren seine Worte

Waldheim
Deshalb –

Kronacher wischt sich mit beiden Händen den Schweiß aus dem Nacken.
Nicht wahr, Jumfs? Das waren Ihre Worte im Wagen, vorhin?

Jumfs versucht vergeblich sich aufzurichten.
Wie?
Was?
Bitte?

Waldheim
Deshalb, also, ich meine, die Flucht an den Tegernsee, Jumfs, war doch Ihre Idee?

Jumfs hustet. Er versucht vergeblich, sich auf die Ellbogen zu stützen, sinkt zurück, röchelt. Kronacher und Waldheim setzen sich zu Oellers und schauen ihn an.

Oellers
Ich habe, wie gesagt, was den Vorfall betrifft, nicht die geringste Erklärung, aber ich habe getrunken und werde das im Falle einer Untersuchung zu gegebener Zeit umstandslos zugeben. Außerdem vermisse ich meine Pistole

Kronacher steckt das Taschentuch ein, mustert das Autowrack.
Keine Verantwortung. Und auch keine Erklärung, definitiv! Das gilt für alle Eventualitäten. Ferner werde ich auch eine Blutentnahme kategorisch ablehnen

Waldheim sich an Kronacher wendend
Man wird dennoch Fragen stellen und eine Erklärung erwarten. Man wird wissen wollen, wie es dazu gekommen ist

Oellers findet eine Pistole zu seinen Füßen.
Ach da ist ja meine alte Luger

Oellers schaut in den Lauf der Waffe.
Wie wir noch vor Abschluss des Staatsbanketts dazu kommen, uns in den Kronacherschen Wagen zu setzen, um an den Tegernsee zu fahren, ist schwer zu erklären

Waldheim
Einerseits der heutige Gedenktag, in dieser drückenden Hitze, andererseits –

Oellers reißt die Pistole ruckartig in die Höhe.
RAUS! Kameraden! Raus! raus!, hat Kronacher nach der Parade im Hofgarten geschrieen. Ich kann diese alljährliche Verschwörung der Jahreszeit nicht länger ertragen, ich –

Kronacher
Ja, ja Oellers. Das sagten Sie vorhin schon. Und stecken Sie doch Ihre Waffe weg, das ist –

Waldheim zu Oellers, der die Pistole in sein Brusthalfter steckt
Fahren wir an den Tegernsee!, sagt Jumfs, nicht wahr? Gut, sage ich. Fahren wir an den Tegernsee

Jumfs röchelt, versucht vergeblich, sich aufzurichten.
Am Tegernsee
wäre der Sommer
wahrscheinlich auszuhalten gewesen
wie er
im Hofgarten,
wahrscheinlich
eben nicht mehr
auszuhalten gewesen ist
Nicht an diesem
Gedenktag!

Kronacher nimmt eine der leeren Bierflaschen in die Hand, mustert sie.
Besorgen wir uns noch eine Kiste Bier, sagt dann Oellers im Hofgarten. Dann ist es am Tegernsee mit großer Wahrscheinlichkeit auszuhalten

Kronacher stellt die leere Flasche kopfschüttelnd auf den Boden zurück, steht auf und geht auf den röchelnden Jumfs zu.
Ich sage dann, gut, Oellers. Wenn Sie meinen. Dann besorgen Sie eben diese Kiste Bier, und holen Sie meinen Wagen. Fahren wir an den Tegernsee.

Oellers erhebt sich mühsam mit einem Stock und mustert den Wagen.
Wie wir uns in den Kronacherschen Wagen setzen, sagt Jumfs, setze ich mich in dieser Jahreszeit in einen Wagen, ist diese Jahreszeit wieder zu ertragen

Jumfs hustend
Mit Ihnen
im
Kronacherschen Wagen
an den Tegernsee
zu fahren
ist die Rettung gewesen.

Kronacher schaut sich nach Oellers um, schüttelt den Kopf und mustert den röchelnden Jumfs.

Oellers das Lenkrad untersuchend
Während ich auf der Wittelsbacherbrücke in diesen Stau gerate, sagt Jumfs noch zu Ihnen Kronacher, Kronacher!, bitte lassen Sie mir Ihr Schweißtuch noch einen Moment, und geben Sie mir eine Flasche Bier, und machen Sie mir diese Flasche Bier mit Ihrem neuen Kunststofffeuerzeug auf, aber um Himmels Willen, passen Sie auf, dass Sie mir den Bierflaschenverschluss, den Sie ja immer mit der größten Wucht, der für Sie wahrscheinlich charakteristischen Wucht von jeder Flasche stemmen, nicht in das Gesicht jagen, wie Sie es seinerzeit in Frankfurt gemacht haben. Einen Bierflaschenverschluss in dieser Hitze in das Gesicht zu kriegen ist das Schlimmste. Und während Sie, Kronacher, dem Jumfs das Bier entkorken, skandieren Sie plötzlich –

Kronacher inzwischen neben Jumfs kauernd, ein Taschentuch aus der Hose holend und sich die Stirn wischend
Die Fäulnis triumphiert. Ich weiß, Oellers.

Waldheim sich mit einem Taschentuch die Stirn abwischend
Dieser Sommer! Diese Hitze! Geradezu unmenschlich

Oellers geht mit einem Stück der zertrümmerten Windschutzscheibe vom Autowrack weg auf Kronacher und den röchelnden Jumfs zu.
Es gibt Menschen, insbesondere junge, sozusagen, heranwachsende Menschen, die stehen mit dem Sommer in einem geradezu kameradschaftlichen Verhältnis. Fürchterlich, nicht wahr?

Jumfs hustend, versucht vergeblich sich auf die Ellbogen zu stützen.
E KEL HAFT
diese
geradezu ab
stoßende
Entartung
unserer
Weltanschau –

Kronacher eine neben Jumfs liegende Flasche in die Hand nehmend und gegen die Sonne reckend, laut und bestimmt
SOMMER!, habe ich im Hofgarten gedacht. Diese alljährliche IDIOTIE!
(lässt erschöpft die Flasche sinken und stellt sie wieder zurück)

Oellers reckt seinen Stock in die Höhe.
Dann schrieen Sie, Kameraden! Was sehen wir, wenn wir durch eine deutsche Stadt und im schlimmsten Fall, durch eine kommunale Grünanlage unserer Heimat marschieren?

Waldheim mit Blick auf den röchelnden Jumfs
Wie diese jungen Leute in der Sonne liegen!

Jumfs hustend
Hirnverbrannt,
dieses ständige
in der Sonne
liegen

Waldheim
Die Leiber rot aufgebrüht

Oellers
Die Gesichter zum Platzen angeschwollen

Waldheim
Dazu dieser Geruch

Oellers
Häufig Kokosnussimitationen

Waldheim
Verdampfender Urin

Oellers
Der Gestank verfaulender Lebensmittel

Kronacher beugt sich über Jumfs. Alle drei stehen nun vor dem röchelnden Jumfs in der prallen Sonne. Jumfs versucht vergeblich sich aufzurichten, er streckt eine Hand Hilfe suchend nach Kronacher aus, der dies jedoch als Fingerzeig missversteht und interessiert den Himmel absucht.

Jumfs
Sind die Mücken endlich
ausgerottet, Kronacher?
Ich kann nur hoffen,
dass die Mücken endlich ausgerottet sind
Wie die Fliegen
Wie die Bremsen
Die Wespen, dieses ganze schwirrend lähmende
Naturgesocks.

Oellers ebenfalls den Himmel absuchend
Höre ich am Tegernsee auch nur eine Mücke, ist die Rettung des Gedenktages unmöglich, ist selbst der Tegernsee für mich verloren, haben Sie gesagt

Jumfs lässt erschöpft den Arm fallen, röchelt
Kronacher,
wo haben Sie das Schweißtuch,
bitte? Es ist doch der Gedenktag!
Bitte!

Waldheim mustert die in die Luft glotzenden Oellers und Kronacher, dann den Jumfs
Zu mir sprachen Sie von uneingeschränkter Todesverachtung. Gerade in fauligen Zeiten wie diesen. Trotzdem im August regelmäßig Beschwerden an der Prostata, Blasenschwäche, dazu Atemnot

Oellers setzt sich etwas abseits von Jumfs in den Schatten des Baumes
Dann, Jumfs, riefen Sie doch plötzlich: Fahren Sie schneller, Oellers! Achten Sie nicht auf die Verkehrsbeschilderungen! Ich verlange die
Höchstgeschwindigkeit!

KRONACHER wendet sich Oellers zu
Höchstgeschwindigkeit?

Oellers
Das Maximum an Mobilität, ich habe es genau gehört.

Waldheim
Holen Sie das Letzte aus dem Kronacherschen Wagen, hieß es!

Oellers
Nehmen Sie keine Rücksicht auf die Maschine.
Wir haben nicht die Zeit, um auf die Maschine Rücksicht zu nehmen.

Jumfs streckt seinen seinen Arm wieder nach oben
Auf nichts
dürfen wir
Rücksicht nehmen.
Aber das Schweißtuch, bitte
Bitte!

Waldheim
Auf nichts dürfen wir mehr Rücksicht nehmen. Mit der Höchstgeschwindigkeit durch die hochtoxische Atmosphäre, Sie sagen es, Jumfs, genauso ist es gewesen

Oellers
Durch das durch und durch verseuchte Lebensmilieu. In ganzheitlich voll ausgereifter Technik! Wo eigentlich ist mein Führerschein?

Jumfs lässt den Arm fallen
Atmen wir ein, vergiften wir uns.

Waldheim
Unerhört plastische Realisierung des Naturzustandes, höre ich Sie noch sagen, Jumfs, bevor –

Jumfs versucht vergeblich sich aufzurichten
Der Sommer ist die Hölle

Waldheim
Ein Kunstwerk, höre ich Sie noch sagen, wie der Krieg, eine künstlerische Höchstleistung. Selbst der Umweltschmutz sei gerade im Sommer ein ästhetisches Phänomen. Durchaus ein expressionistisches Ereignis. Wie der Krieg, höre ich Sie noch sagen, kurz bevor dieser See vor uns auftaucht.

Jumfs
Ich flehe Sie an,
geben Sie mir ein
Schweißtuch!

Kronacher stellt sich zu Oellers, der das Wageninnere untersucht

Waldheim
Ja, davon sprachen Sie auch, Jumfs, aber woran erinnern Sie sich noch?

(schaut sich nach Oellers und Kronacher um)

Waldheim
Meine Herren! Man wird den genauen Hergang von uns erwarten, alle Einzelheiten. Jedes Detail wird man von uns erwarten

Kronacher kehrt zu Jumfs zurück und drückt ihm ein weißes Tuch in die immer noch ausgestreckte Hand
Jumfs!, habe ich zu Ihnen gesagt, dieses Bier, das uns Oellers besorgt hat, schmeckt abgestanden, obwohl ich, wie Sie sehen konnten, die Flasche gerade eben erst geöffnet habe. Können Sie mir das erklären?, habe ich zu Ihnen gesagt

Jumfs hustet, legt sich das Tuch über Stirn und Augen
Ich werde Ihnen nichts
erklären
Weil ich
in dieser Hitze
nichts erklären
kann
Haben Sie ein zweites Schweißtuch Kronacher?
Ich bitte Sie
geben Sie mir
ein zweites Schweißtuch
Das wäre die
Rettung

Waldheim stellt sich zu Oellers und untersucht mit ihm das Innere des Wagens.
Der schöne Wagen, Oellers! Nicht wahr? Dieser schöne deutsche Wagen. Schrecklich, diese Hitze! Was suchen Sie denn die ganze Zeit?

Oellers
Ich habe meinen Führerschein gut sichtbar an der Scheibe befestigt. Und jetzt verstehe ich nicht –

Waldheim
Was verstehen Sie nicht, Oellers?

Oellers starrt zuerst Waldheim, dann den Baum an
Genau genommen, war es doch so. Schlagartig war dieses Frühjahr um, und dieser Sommer hing als stinkender Dunst unter dem Balkonsims. Diese plötzliche Hitze dann. Dann. Dann im Wagen, Kronacher mit diesen Fragen an Jumfs, die Hitze betreffend sowie den erbärmlichen Zustand, nicht nur der deutschen Jugend, sondern auch der deutschen Nahrungsmittelindustrie, insbesondere der für das Brauereiwesen zuständigen Stellen, dann, dann plötzlich, wiederum völlig unerwartet, während ich skandiere „Die Fäulnis triumphiert“, wiederum schlagartig, diese ungeheuere Wucht. Und dann und dann und jetzt, jetzt, jetzt müssen wir damit fertig werden

Kronacher
Jawohl. Fertig werden.

Jums
Fertig
Erledigt
Alles
Erledigt
Alles
Total
Das Schweißtuch

Bitte!
Nein,
Kronacher
Nein, das
kann ich Ihnen nicht
erklären
Warum
dieses von Ihnen gerade eben
geöffnete
Bier
abgestanden schmeckt
Erklären
kann ich Ihnen
das nicht
Wie ich nichts mehr
erklären kann
Mit Sicherheit
hat auch dieser
Skandal
etwas
mit dieser
fürchterlichen Entartung der
klimatisch-
politischen
Bedingungen
zu tun

Waldheim mustert kopfschüttelnd zuerst den völlig erschöpften, schwer röchelnden Jumfs, dann den demolierten Wagen und schließlich Oellers.
Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Oellers?

Oellers
Ich habe Gas gegeben in dem Moment. Ich erinnere mich.

Kronacher setzt sich zu Jumfs auf den Boden, nimmt ihm das Tuch von den Augen und wischt ihm die Stirn
Erledigt, Jumfs, sehr richtig! Jawohl. Der verseuchte und wie ich hoffe, mückenfreie Tegernsee bringt nichts als die Wahrheit an den Tag. Das waren Ihre Worte. Jumfs?

Oellers
Ich war im Grunde auf alles vorbereitet. Ich habe exakt nach Erreichen des Scheitelpunktes Gas gegeben.

Jumfs reckt den Arm wieder wie hilfesuchend nach oben
Gas.
Mehr Gas
Totale
Irreversible
Vergasung

Kronacher klopft dem Jumfs auf die Schulter
Pestizide, Herbizide. Die Landwirtschaft steht auf unserer Seite. Im Gegensatz zur Nahrungsmittelindustrie. Großartiges Instrument, die Landwirtschaft, meinten Sie, Jumfs, auf meine Frage nach dem Status Quo Ante.

Jumfs schwer hustend
Kon
zen
tration
auch
der
aller
feinsten
Kapillaren

Kronacher legt dem Jumfs wieder das Tuch über die Stirn
Ausführung und Bearbeitung der Apotheose nicht nur aller Symphonien, sagten Sie. Das Requiem der Naturwissenschaften schlechthin. Die Bedeutung der deutschen Landwirtschaft: Das Requiem der klassischen Naturwissenschaften schlechthin

Oellers stellt sich unter den Baum, mustert den Straßenverlauf.
Die Unübersichtlichkeit einer Streckenführung kann für einen geübten Fahrer kein unlösbares Problem darstellen

Jumfs versucht vergeblich sich aufzurichten.
Oellers?
Warum
fahren wir
eigentlich
nicht weiter?

Oellers
Die Fäulnis triumphiert, die Fäulnis triumphiert,
die Fäulnis triumphiert, habe ich skandiert und
Gas gegeben. Die Fäulnis triumphiert!
Dann diese ungeheure Wucht

Jumfs röchelt
Wie lange noch?

Kronacher klopft dem Jumfs auf die Schulter.
Diese Hitze? Ich fürchte, erst im Oktober –

Jumfs richtet den Oberkörper krampfartig auf
Zum Tegernsee!
Die Rettung!
Tegernsee!
Schnell!

Kronacher
Ach Jumfs, Sie meinen –

Oellers
In zwanzig Minuten wären wir –

Kronacher
Hören Sie? Zwanzig Minuten, Jumfs, aber das ist jetzt –

Jumfs fällt wieder in die liegende Position zurück.
Der Sommer ist die Hölle!

Oellers
Diese Hitze! Wie im Krieg

Jumfs
Nein. Ich kann nichts mehr erklären
Fahren Sie, Oellers
Warum
um Himmels Willen
kommen wir nicht weiter?
Warum, fahren Sie denn nicht?
Fahren Sie
Ich flehe Sie an, Oellers
Fahren Sie!
Denken Sie an den Gedenktag!


Waldheim geht zu Jums, beugt sich über ihn, Jums versucht vergeblich sich aufzurichten.
Sie sind doch schwerer verletzt, als Sie zuzugeben bereit sind, Jumfs. Legen Sie sich doch bitte wieder hin

Jumfs röchelnd
Der Kopf, der Kopf
Es ist im Grunde nur
der Kopf

Waldheim
Wie ich sehe, haben Sie gerade wohl unbeabsichtigt uriniert, Artur. Wir sollten, denke ich, nun doch umgehend die Polizei verständigen
und humanitäre Hilfe in Anspruch nehmen

Eine Sirene heult in der Ferne.

Jumfs fasst sich in den Schritt.
Es tut mir
so
leid

Kronacher
Ich höre etwas? Hören Sie das nicht?

Jumfs (bevor er ohnmächtig wird)
Ich habe heute morgen unglücklicherweise
ein Harn treibendes Mittel eingenommen

Waldheim wendet sich Kronacher zu.
Sie haben Recht, Kronacher, ein Martinshorn, denke ich. Die Fanfaren zum Siegfrieden klingen nicht so schrill

Kronacher wendet sich an Oellers, der kopfschüttelnd den Baum anstarrt.
Nun, Oellers? Was wollen Sie tun? Es scheint, als würden die Behörden eintreffen

Oellers
Die Behörden? Meine Herren, also ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich, also ich, – ich kann meinen Führerschein nicht finden

Vorhang



BILD ZWEI VERSORGUNG

Während der Vorhang geschlossen ist, hört man die Stimme Kronachers:
"Zum See, Oellers, am besten wir schlagen uns durch zum See." Dann die Stimme von Oellers: "Wie Sie meinen, Kronacher. Also mir ist das unbegreiflich."
Dann Vorhang auf:
Der Nachmittag neigt sich dem Abend entgegen. Die Unfallstelle nun aus nächster Nähe. Sie ist provisorisch mit rot-weißem Absperrband gesichert. Das Kruzifix wirft seinen Schatten auf die Fahrbahn. Während zwei junge Sanitäterinnen im Hintergrund versuchen, den am Boden liegenden Jumfs zu versorgen, wird Waldheim von einem Landpolizisten vernommen. Der Polizist trägt eine grüne Lederuniform einer bayerischen Motorradstaffel. Gerade beugt sich eine der beiden neben Jumfs knienden Sanitäterinnen über den Kopf des Verletzten. Waldheim kramt in der Innentasche seines Jackets.


Waldheim
Nein, es tut mir leid, nein, ich habe dafür auch keine Erklärung, aber ich –

Sanitäterin Annemarie untersucht Jumfs Gesicht.
Mein Gott, hat der einen Sonnenbrand im Gsicht, ja hams denn den die ganze Zeit in der prallen Sonn liegn lassen?

Jumfs erwacht aus der Ohnmacht, versucht vergeblich sich aufzurichten.
Rühren Sie
mich
nicht an!

Polizist und Waldheim wenden sich dem schreienden Jumfs zu.

Sanitäterin Elisabeth
Beruhigen´S Ihnen doch, Sie sind verletzt

Jumfs
Rühren Sie mich nicht an!
Tun Sie
Ihre Hände da
weg!

Sanitäterin Annemarie
Er hat in die Hose g´macht

Jumfs röchelt, rudert mit den Armen.
Hilfe,
Kronacher, Oellers
Kameraden
helfen Sie mir
Hilfe!

Sanitäterin Annemarie
Jetzt halten´S doch still. Sie sind doch am Kopf verletzt. Sie bluten ja

Jumfs röchelt.
Was
machen Sie da?
Tun Sie
die Hand da
weg
Weg
Sie
Sie
Ich, ich –

Waldheim wendet sich wieder an den Polizisten, überreicht ihm ein kleines, schmales Büchlein.
Nein, wie gesagt, ich kann, äh, ich, wie gesagt. Ich kann Ihnen lediglich meinen alten Parteiausweis aushändigen

Landpolizist mustert den Ausweis.
Einen neueren haben Sie nicht?

Jumfs röchelt schwer, streckt mit letzter Kraft beide Arme in die Höhe.
Aua, aua, aua, Hilfe!

Sanitäterin Erlisabeth
Halten´S doch still bitte. Ich will Ihnen ja nur helfen

Sanitäterin Annemarie
Wenn´S den wenigstens in´ Schattn glegt hättn, Lisi. Dann hätt der wenigstens nicht so einen Sonnenbrand

Landpolizist (während Jumfs im Hintergrund wimmert)
Also Herr Dr. Waldheim, Sie können sich nicht ausweisen, und Sie wollen mir auch nicht sagen, wer der Fahrer dieses Wagens gewesen ist. Da haben wir dann also ein Problem

Sanitäterin Elisabeth
Das ist der Schock. Der steht unter Schock

Sanitäterin Annemarie
Meinst?

Jumfs röchelt
Adolf, Adolf,
ich bitte Sie
Adolf!

Sanitäterin Annemarie
Weißt, was ich dir sag, Lisi? Der hat keinen Schock. Der iss total bsoffn. Also wennsd mich fragst, ist der total bsoffn, Lisi. Aber irgendwoher kenn ich den

Sanitäterin Elisabeth
Natürlich ist der bsoffn. Die sind alle zwei total bsoffn. Heut ist doch der Gedenktag. Da sinds ja schon um zwölfe bsoffn. Grad die Alten. Aber er da, er hat dazu noch einen Schock. Glaubs mir, Annamirl

Jumfs röchelt
Adolf!

Waldheim zu Jumfs
Sofort Artur, sofort. Einen Moment noch, Artur.

Landpolizist zu Waldheim
Also wenn Sie keine Schwierigkeiten haben wollen, dann sagen Sie mir jetzt bitte sofort,
wer diesen Wagen hier gegen den Baum gefahren hat. Irgend jemand muss diesen Wagen an den Baum gefahren haben, und ich möchte jetzt von Ihnen wissen, wer der Führer dieses Wagens gewesen ist?

Waldheim
Der Führer? Ja, ja, der Führer. Wer war eigentlich der Führer? Das ist eine wichtige, das ist wohl die entscheidende Frage

Landpolizist
Haben Sie getrunken?

Sanitäterin Elisabeth
Haben Sie irgendwelche Schmerzen?

Jumfs mit erstickender Stimme
Aarrghhh

Sanitäterin Elisabeth
Der Kopf, Ihnen tut sicher der Kopf weh?

Jumfs stöhnt
Der Kopf

Sanitäterin Elisabeth untersucht Jumfs´ Kopf.
Ist das eine alte Verwundung, da hinter Ihrem rechten Ohr? Oder eine Verhärtung vielleicht?

Sanitäterin Annemarie tastet Jumfs´ Hinterkopf ab.
Des iss ja a Stahlplattn. Des iss ja alles aus Stahl, de rechte Seitn. In dem Kopf kunst ja Eier kochn, solang wie der in der prallen Sonn´ glegen sein muss

Saniterin Elisabeth während Jumfs´ Oberkörper konvulvisch zuckt und zu kollabieren beginnt
Jessers! Jetzt gehts los. Siegst, wie der die Augen verdreht, Annemarie? Jetzt gehts los. Jessers Maria, jetzt haut´s dem den Kreislauf nunter. Zieh schnell fünf Zehntl Adrenalin auf, Annamirl. Schick dich, der stirbt uns weg. Der iss Parasymphatiker. Des seh ich gleich. Der braucht sofort a Spritzn

Sanitäterin Annemarie
Bei dem Rausch?!

Sanitaterin Elisabeth
Es hilft nix! Schau, wie der die Augn verdreht, Annemarie, des iss ja wie im Lehrbuch. Schnell, schick dich, Annemarie, mit der Spritzn, sonst ist uns der gleich Exitus. Sauerstoff ham mir ja ned dabei

Sanitäterin Annemarie während sie eilig eine Spritze aufzieht
Du Lisi, ich kenn den irgendwoher, ich kenn den vom Fernsehn irgendwoher

Waldheim
Artur, Artur! Ist es so schlimm, Artur?

Landpolizist beobachtet den kollabierenden Jumfs; (dann Waldheim scharf musternd)
Also ich frage Sie jetzt zum letzten Mal. Wenn Sie jetzt nicht in große Schwierigkeiten kommen wollen, dann sagen Sie mir endlich: Wer war der Fahrzeugführer?

Saniterin Annemarie während Elisabeth die Injektion verabreicht
Weißt woher ich den kenn, Lisi? Der war gestern nach den Prodeutschland Nachrichten im Fernsehen, zwecks dem Gedenktag




Vorhang


BILD DREI ABSENZ

Ein geteerter Feldweg am Seeufer. Im Tegernsee spiegelt sich in gleißendem Orange das Licht der untergehenden Sonne. Am Horizont ragt aus der Uferpromenade die Shilouette eines Kruzifixes. Kronacher und Oellers erreichen einen großen Granitblock, in den in goldener Antiqua DEN BLUTZEUGEN VON BAD WIESSEE eingraviert ist. Kronacher trägt einen blauen Kanister mit der Aufschrift IG-Farben Natur-H2O, biologisch geklärt, GK a 1.
Oellers auf einem Stock gestützt, einige Schritte hinter ihm. Die beiden tragen weiße Hemden, Flanellhosen mit dünnen Hosenträgern aus schwarzem Gummi. Oellers trägt dazu ein Pistolenhalfter. Kronacher bleibt stehen, schaut suchend richtung Kruzifix, schraubt den Verschluss des Kanisters auf und trinkt.


Oellers
Warten Sie Kronacher, geben Sie mir auch einen Schluck. Warten Sie einen Moment. Lassen Sie uns einen Augenblick rasten, Kronacher

Kronacher
Wie Sie meinen, Oellers. Hier, nehmen Sie einen Schluck

Dreht sich wieder um, reicht dem heranhumpelnden Oellers den Kanister. Während Oellers trinkt, setzt sich Kronacher auf den großen Granitstein. Nachdem Oellers getrunken hat, gibt er Kronacher den Kanister zurück und versucht dann mühsam, sich neben Kronacher auf den Boden zu setzen.

Kronacher macht Anstalten, Oellers auf dem Stein Platz zu machen.
Wollen Sie sich nicht lieber hierhin setzen, Oellers?

Oellers
Danke, nein. Es geht schon. Behalten Sie ruhig Platz. Das Wasser tut einem gut. Gottlob ist der Kofferraum ja weitgehend unbeschädigt geblieben

Kronacher untersucht den Kanister.
Sehen Sie, Oellers, und Sie sagten noch gestern, die neuen Richtlinien des Ordnungsamtes hätten keinen Sinn. Stellen Sie sich vor, Oellers, wir hätten den Kanister nicht vorschriftsgemäß im Kofferraum verstaut?

Oellers
Mir persönlich ist ein Schluck deutsches Bier ebenso lieb, wie ein Schluck Wasser. Aber Sie haben schon recht. Gott sei Dank, ist wenigstens dem Kanister nichts passiert. Von den Flaschen sind ja alle, bis auf eine einzige zu Bruch gegangen. Bis auf die eine einzige Flasche, die Jumfs im Arm hatte, sind ja alle Flaschen zu Bruch gegangen. Und ohne den Kanister hätten wir jetzt überhaupt nichts zu trinken

Kronacher
Ja, Oellers. Wir müssen wohl von einem Totalschaden ausgehen.

Oellers nickt kurz aber heftig mit dem Kopf.
Ich stehe Ihnen selbstverständlich für jede Schadensersatzforderung gegenüber der Versicherungskammer zur Verfügung

Kronacher drückt Oellers den Kanister an die Brust, der einen Schluck Wasser nimmt.
Nichts anderes Oellers, habe ich von Ihnen erwartet

Oellers gibt Kronacher den Kanister zurück.
Sagen Sie, ist das Wasser?

Kronacher
Klares deutsches Wasser, Oellers, so gesund und kräftigend wie Obst

Oellers
Wie? Obstwasser? – Mir ist natürlich auch bewusst, dass ich im Falle einer Falschaussage meine Altersversorgung aufs Spiel setze

Kronacher stellt den Kanister auf den Stein.
Machen Sie sich keine Sorgen, Oellers. Sie werden sich frühesten morgen den Behörden stellen. Bis dahin, werden auch die letzten Spuren Ihres Restalkohols verschwunden sein. Nehmen Sie sich ruhig noch einen Schluck von diesem Wasser, Oellers. Das hilft. Das hilft Ihnen in dieser Hitze wieder auf die Beine

Oellers starrt in die pralle Sonne.
Danke Kronacher. Aber ich brauche im Moment kein Wasser. Im Moment fühle ich mich eher etwas untervitaminiert. Ich sollte mir in den nächsten Tagen wieder meine Spritze holen

Ein junges Paar in uniformartigen Freizeitsportanzügen - Mann und Frau schieben jeweils ein teures mountain bike - geht an den beiden vorüber und mustert sie. Oellers versucht vergeblich, sich zu erheben. Die junge Frau lacht. Beide ab.

Kronacher verfolgt Oellers misslungene Bewegungsversuche.
Sind Sie eigentlich permanent medikamentiert?

Oellers
Was meinen Sie damit?

Kronacher
Nehmen Sie Mittel ein? Irgendwelche Medikamente, die Ihre Reaktionsfähigkeit eventuell beeinträchtigen könnten?

Oellers (zu Kronacher, und also in die Sonne schauend)
Ich habe getrunken, wenn Sie das meinen

Kronacher
Ich weiß, dass Sie getrunken haben, Oellers. Die Frage ist, ob Sie darüber hinaus irgend ein Mittel, ein Medikament zu sich genommen haben? Ein Kreislaufmittel vielleicht? Oder Tabletten? Vielleicht zur Beruhigung?

Oellers starrt zu Boden, schüttelt den Kopf, massiert sich ein Bein.
Nein, nein, oh nein. Ich nehme keine Tabletten. Keine Tabletten und auch keine Pillen. Ich habe noch nie Pillen genommen

Kronacher
Keine Tabletten so so, Oellers. Nicht einmal ein Mittel gegen die Hitze. In Ihrem Alter, Respekt!

Oellers schlägt mit dem Stock prüfend gegen sein rechtes Bein.
Selbst in Alamein, wo sie alle ihre Tabletten genommen haben, habe ich gesagt, nein, ich nehme keine Tabletten, nicht mal die Kohletabletten gegen Durchfall nehme ich, habe ich gesagt und habe die Tabletten nicht genommen

Kronacher klopft Oellers auf die Schulter.
Alamein. Ach ja. Oellers. Sie waren ja in Alamein dabei. Richtig Aber das ist lange her, Oellers! Alamein ist zig Jahre her. Und wir sind, ich meine, wir werden nicht jünger

Oellersnickt bedächtig. Neunzehnhundertfünfundvierzig. Juli Neunzehnhundertfünfundvierzig. Durchbruch in Alamein. Ich sage Ihnen, da hat jeder seine Tabletten genommen. Nur ich habe gesagt: Nein! Danke! Für mich keine Tabletten

Kronacher nimmt den Kanister.
So so, Oellers. Aber sagen Sie, wenn Sie schon davon sprechen: Das war doch Rommels Plan, nicht wahr Oellers? Alamein? Unternehmen Hydrant? Das war typisch Rommel! Oellers! Nicht wahr?

Oellers (während Kronacher trinkt)
Wie meinen? Rommel? Ich glaube, nein, ich denke. Nein, nein, es war nicht Rommel. Es war der Generalstab. Die Entscheidung, doch noch ein viertes Mal anzugreifen, die kam aus Berlin, Kronacher, denke ich. Wenn Sie mich fragen, Kronacher, Unternehmen Hydrant? Das ist nicht auf Rommels Mist gewachsen. Aber ich bin mir nicht ganz sicher. Sie, Sie müssten das doch wissen. Sie waren doch in Berlin, im Stab. Sie waren doch Stabsoffizier seinerzeit

Kronacher setzt den Kanister neben Oellers ab.
In Berlin? Ja richtig. Das ist richtig, Oellers. Bei Keitel, ja ja. Juli 1945 war ich Keitel unterstellt. Aber wir hatten mit dieser Sache direkt nichts zu tun. Nein mit dem Unternehmen Hydrant hatten wir unmittelbar gar nichts zu tun im Juli Fünfundvierzig. Das war ja eine völlig andere Front. Wir mussten ja die Russen zurücktreiben

Oellers betrachtet den Kanister.
Also je länger ich darüber nachdenke, Kronacher, ich sage Ihnen, das kam nicht von Rommel. Das kam aus Berlin. Das kann nur direkt aus Berlin gekommen sein

Kronacher streckt sich.
Juli Fünfundvierzig, warten Sie mal. War ich da schon wieder in Peenemünde? Oder –

Oellers
Rommel hätte nie verlangt, dass jeder seine Tabletten nehmen muss

Kronacher
Peenemünde. Juli Fünfundvierzig. Da war ich doch in Peenemünde, unter von Braun?

Oellers
Das ist nicht sein Stil gewesen, Kronacher. Der Fuchs hätte doch nie einen solchen Tagesbefehl herausgegeben

Kronachersteht auf.
Lassen Sie mich überlegen Oellers. Juli Fünfundvierzig. Alamein. Ja doch,doch, da war ich unter Keitel in Berlin.

Oellers (zu dem nun neben ihm stehenden Kronacher aufschauend)
Dass jeder, ausnahmslos seine Tabletten einzunehmen hat. Nein, nein, das hat sich nicht der Rommel ausgedacht. Nicht der Fuchs. Das ist eher die Handschrift von ganz oben

Kronacher setzt sich wieder und wischt sich mit seinem Tuch das Gesicht.
Ja. Ganz sicher, Berlin. Ganz sicher. Doch. Jetzt bin ich mir ganz sicher: Alamein, jetzt erinnere ich mich, Alamein, der Durchbruch, das habe ich doch von Keitel persönlich gehört. Das seh ich doch vor mir: Wie Keitel vom Kartentisch aufblickt und schweigt und uns ansieht und weiter schweigt und dann diese inzwischen doch weltberühmten Worte sagt: Dieser Rommel, der alte Wüstenfuchs, hat Alamein. Das ist der Durchbruch. Jawohl. Das muss Juli Fünfundvierzig gewesen sein. Irgendwann Ende Juli Fünfundvierzig. Ein ungemein heißer Tag in Berlin, ja ja

Oellers starrt auf den Kanister, nickt. Wahrscheinlich war es er selbst

Kronacher
Was meinen Sie?

Oellers sich jäh Kronacher zuwendend
Unternehmen Hydrant? Vielleicht hat er den Plan ja selbst entworfen?

Kronacher starrt zuerst Oellers dann den Kanister an.
Unternehmen Hydrant? Er selbst? Ich weiß es nicht, Oellers. Es kann natürlich sein. Wie gesagt. Ich war im Juli Fünfundvierzig Keitel unterstellt Zuerst Ardennenoffensive, dann Peenemünde, dann Kampf um Berlin, dann zurück nach Peenemünde, von Braun, und dann zu Keitel in den Stab, ja und dann war ja der Krieg auch bald zu Ende. Mit Unternehmen Hydrant hatte ich eigentlich direkt nichts zu tun. Und Keitel war ja seit April, seit er untergetaucht ist im April, praktisch ganz auf sich gestellt

Oellers starrt ebenfalls den Kanister an, dann auf den Stein mit der goldenen Inschrift.
Wissen Sie, was mir gerade einfällt, Kronacher?

Kronacher scharf
Was?

Oellers
Ich glaube es hieß gar nicht Unternehmen Hydrant. Es hieß Unternehmen Hydra, – nicht Hydrant. Unternehmen Hydra.

Kronacher starrt immer noch den Kanister an, hält ihn gegen die Sonne, schüttelt ihn.
Das kann sein, Oellers. Da könnten Sie Recht haben. Unternehmen Hydra, nicht Hydrant. Das müssen Sie besser wissen als ich. Sie waren ja dabei. In Alamein
(trinkt ihn leer)

Oellers erhebt sich mühsam und klopft mit seinem Stock gegen die goldene Inschrift.
Unternehmen Hydra, freilich Hydra, nicht Hydrant. Diese Hitze macht einen noch ganz verrückt

Kronacher stellt den leeren Kanister auf den Stein.
Ja ja, Alamein, doch, doch, das war kriegsentscheidend. Das war sozusagen der Anfang vom Endsieg, Oellers

Oellers folgt dem nun aus dem Bild gehenden Kronacher.

Kronacher mit Blick auf die Inschrift des Steins
Sagen Sie, Oellers. In Bad Wiessee damals, Sommer Vierunddreißig, da waren Sie aber nicht dabei?

Oellers
Bad Wiessee? Sie meinen die Tragödie um Röhm? Gott bewahre nein! Kronacher,ich für meinen Teil, ich habe mir, was diese Seiten unserer Geschichte anbelangt, nicht das geringste vorzuwerfen. Ich bin Jahrgang 1922. Ich war im Jesuitenkolleg. Die Ideale des Nationalsozialismus habe ich ehrlich gesagt, erst mit Eintritt in die Wehrmacht kennen und schätzen gelernt

Kronacher
So so. Das ist mir neu, Oellers. Ein Spätberufener sozusagen

Oellers
Nun ja. Ich war 19, als ich mich zur Wehrmacht meldete. Ich sollte ja Priester werden, Kronacher, ursprünglich. Ich komme doch aus einem erzkatholischen Elternhaus.

Kronacher
Ein Katholik! Noch dazu Jesuit! Aber Oellers. Seien Sie doch stolz. Für den Katholizismus muss sich niemand schämen. Einige unserer größten Parteimänner waren Katholiken und sind es immer noch. Der Nationalsozialismus, wie er sich uns heute zeigt, ist ohne diesen geistigen Humus praktisch gar nicht vorstellbar


Vorhang




BILD VIER KURZVISITE

Eine lange, dunkle Flucht eines Stationsganges. An den Wänden eine Reihe von Antidrogenplakaten, sowie Regeln und Vorschriften, wie man sich bei erhöhten Ozonwerten zu verhalten habe, daneben Aufrufe, kein Fleisch zu essen, das Rauchen aufzugeben, die Geburtenrate zu erhöhen, und gemeinschaftlich Sport zu treiben. Am hinteren Ende des Ganges ist die Silhouette eines Reichsadlers zu sehen.
Türen werden vereinzelt aufgerissen, aus denen Männer in weißen und grünen Kitteln eilen und wieder verschwinden. Kronacher wartet vor einer Tür mit der Aufschrift 1 A. Sie öffnet sich langsam. Heraus tritt Waldheim. Die beiden wirken im Gegensatz zur ersten Szene gefasst und nüchtern.


Kronacher
Und?

Waldheim
Keine Veränderung

Kronacher
Hat er Sie wenigstens erkannt?

Waldheim
Ich glaube nicht. Er hatte die Augen geschlossen

Kronacher
Und der Kreislauf?

Waldheim
Stabil

Kronacher
Der Kreislauf stabil. Immerhin. Wenigstens das. Hat er etwas zu Ihnen gesagt?

Waldheim
Kein Wort. Kein Wort hat er gesagt

Kronacher
Haben Sie etwas zu ihm gesagt?

Waldheim
Was hätte ich denn sagen sollen, Kronacher! Er liegt doch im Koma. Was soll ich ihm denn sagen, wenn er im Koma liegt? Es ist eine Tragödie, eine entsetzliche Tragödie, Kronacher

Kronacher
Vielleicht, dass er Sie an Ihrer Stimme erkennt und sich erinnert. Ich habe schon oft gehört, dass jemand aus dem Koma wieder zurückgekehrt ist, weil er sich an eine ihm bekannte Stimme erinnert

Waldheim
Gehen Sie doch zu ihm, Kronacher! Reden Sie doch mit ihm! Ja, warum gehen Sie eigentlich nicht zu Jumfs hinein?

Kronacher
Ich gehe nicht hinein, Waldheim. Es tut mir leid. Aber das können Sie von mir nicht verlangen. Sie wissen, warum, Waldheim. Sie wissen, warum. Ich kann nicht zu ihm hineingehen

Waldheim
Ist es immer noch so schlimm mit Ihrer Phobie?

Kronacher
Es wird immer schlimmer, Waldheim. Im Grunde kann ich nicht einmal hier vor diesem Zimmer stehen. Allein hier vor der Türe zu stehen, vor diesem Zimmer, und zu wissen, dass Jumfs in diesem Zimmer liegt, im Streckverband, mit verbundenen Augen, ausgerechnet Jumfs, und mir vorzustellen, hinein gehen zu müssen, ist eigentlich schon zuviel

Waldheim
Möchten Sie, dass wir hinaus gehen, Kronacher?

Kronacher
Ja bitte, gehen wir. Gehen wir besser hinaus. Ich brauche nur an das Wort Streckverband zu denken, schon habe ich wieder dieses Herzflimmern, wie damals bei diesem fürchterlichen Unfall in Frankreich

Waldheim geht auf den Reichsadler zu.
Kommen Sie Kronacher. Wir können ebenso gut draußen im Park auf Oellers warten.
(bleibt stehen, mustert die Plakate, dreht sich nach Kronacher um)
Und diese Rakete ist tatsächlich in unmittelbarer Nähe des Führers detoniert?

Kronacher geht ebenfalls auf den Reichsadler zu.
Keine zweihundert Meter, Waldheim. Es war eine Katastrophe. Ich träume heute noch von diesem fürchterlichen Lichtblitz

Waldheim geht neben Kronacher
Aber ihm selbst passierte nichts, damals?

Kronacher bleibt unvermittelt stehn.
Der Unterstand war ja zweihundert Meter weg, Waldheim. Die Rakete ist uns ja unmittelbar nach dem Startvorgang verreckt und detoniert

Waldheim
Zweihundert Meter. Unglaublich, Kronacher. Nur zweihundert Meter von ihm entfernt. Und die Rakete ist detoniert und hat ihm kein Haar gekrümmt. Unglaublich, Kronacher, wirklich unglaublich, welches Glück dieser Mann Zeit seines Lebens gehabt hat

Kronacher reibt sich die Augen.
Geplant war, dass sie in Dover detoniert, Waldheim, das wäre dann von der Küste aus zu sehen gewesen, die Detonation. Das war ja der Zweck der Übung, Waldheim. Dass er unsere neue Waffe sozusagen aus nächster Nähe erlebt

Waldheim
Und diese Rakete ist Ihnen beim Start verreckt?

Kronacher
Keine zehn Meter über der Rampe, Waldheim. Der ganze Flüssigsauerstoff. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie das brennt! Zehn Meter über Ihrem Kopf

Waldheim kopfschüttelnd
Zehn Meter über Ihrem Kopf?

Kronacher
Zehn Meter, vielleicht auch zwanzig. Das spielt ja keine Rolle. Es war die Hölle Waldheim, die Hölle. Sie machen sich keine Vorstellung!

Waldheim
Er selbst hat sich ja nach diesem Unfall geweigert, die Westfront jemals wieder zu inspizieren

Kronacher geht weiter, Waldheim folgt ihm
Erst 54 wieder. Erst Vierundfünfzig hat er den Kanal wieder besucht, was ich persönlich auch vollkommen nachvollziehen kann

Waldheim
Und als Entschädigung sozusagen, hat er Ihnen dann diesen Wagen geschenkt. Mit dem er Vierundfünfzig den Tunnel eröffnet hat

Kronacher
So ist es, Waldheim. So ist es gewesen. Der Wagen war sozusagen ein Zeichen der Anerkennung. Er selbst litt ja auch Zeit seines Lebens an einer Augenverletzung

Waldheim
Hm

Kronacher
Ja, Waldheim. Ja ja. So ist das gewesen. So bin ich zu dem Wagen gekommen. Und zu dieser Phobie

Waldheim
Da muss Sie der gestrige Vorfall doch doppelt hart getroffen haben, Kronacher

Kronacher
Ach wissen Sie, Waldheim. In unserem Alter hat man gelernt mit Verlusten zu leben, oder man lernt es nicht mehr. Entscheidend ist, anständig zu bleiben

Waldheim
Das ist ein wahres Wort, Kronacher. Ein wahres Wort. Ähnliches hat seinerzeit der alte Himmler zu uns jungen Offizieren gesagt, als wir –

Kronacher
Na ja, der liebe Heini Himmler. Ja ja. Die alten Tage. Aber Waldheim. Bevor ich das vergesse. Das wollte ich Sie schon in der Messe fragen: Wohin, sagte der junge Herr vorhin, hat man meinen Wagen gebracht?

Waldheim
Ihr Wagen ist in guten Händen, Kronacher. Machen Sie sich keine Sorgen. Sobald die Untersuchung abgeschlossen ist, werden Sie Ihren Wagen zurückerhalten

Kronacher
Da ist gut, Waldheim. Das ist gut zu wissen. Wissen Sie, Waldheim. Es ist ja nicht nur, weil dieser Wagen für mich diese besondere Bedeutung hat. Es wäre mir überhaupt sehr unangenehm, auf –

Waldheim
Die Partei wird Ihnen selbstverständlich ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen

Kronacher
Ein Ersatzfahrzeug. Das ist gut. Wissen Sie, Waldheim, ich muss in den nächsten Tagen nach Frankfurt. Und Ihnen ist sicher klar, was es heißt, in dieser Hitze auf ein öffentliches Verkehrsmittel angewiesen zu sein

Waldheim
Keine Frage, Kronacher, keine Frage. Selbstverständlich wird man Ihnen ein Dienstfahrzeug zur Verfügung stellen

Kronacher
Bei diesen klimatischen Bedingungen in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Das geht nicht. Beim besten Willen nicht, Waldheim

Waldheim
Das steht natürlich ganz außer Frage. Aber was ich Sie immer schon fragen wollte, Kronacher. Sagen Sie, warum ausgerechnet Argentinien? Wir alle dachten doch Achtundsechzig, als er sich von Leni scheiden ließ, und von Linz den Abschied nahm – jetzt zieht er an die Goldküste nach Sankt Franzisko. Warum dann doch Südamerika? Wenn man denkt: Der Ami jagt diesen Schauspieler – diesen Schaplah – aus dem Land, damit er sich zur Ruhe setzen kann, und er schlägt die Offerte aus und lässt sich stattdessen Machu Pichu am Parana nachbauen

Kronacher
Schaplah? Sie meinen Chaplin (Tschäplin). Dieser sogenannte Schauspieler hieß doch Chaplin?

Waldheim
Wie auch immer, man soll diesen angelsächsischen Zigeunern nicht auch noch nach dem Munde reden, Kronacher, jedenfalls: Warum Argentinien?

Kronacher
Also, wenn Sie es genau wissen wollen, Waldheim. Argentinien, das neue Machu Pichu, aber das bleibt unter uns, das wissen vielleicht einhundert Menschen im ganzen Reich – der Umzug nach Argentinien war die Idee vom großen Abs

Waldheim
Der große Abs? Tatsächlich!

KRONACHER
Ja ja. Dieser Mann hat mit seiner Bank tiefer in die Geschicke unseres Landes eingegriffen, als fünfzig Divisionen unserer SS. Aber lassen Sie uns jetzt bitte hinüber in den Park gehen. Lassen Sie uns doch im Park auf Oellers warten, Waldheim. Wo, sagten Sie, treffen wir die jungen Herren von der Partei?

Waldheim
Die Herren, die für die Untersuchung zuständig sind? Ein Herr Harry erwartet uns im Foyer

Kronacher
In der Zentrale? Das ist gut. Das trifft sich gut. Da könnte ich ja noch heute meine kleine Arbeit über die Mondlandung ins Institut nach Frankfurt faxen

Waldheim
Das können Sie tun. Das wird sich sicher einrichten lassen. Wir fahren so gegen drei Uhr. So so. Der große Abs hat den Chef nach Südamerika geführt. Wer hätte das gedacht

Kronacher
Ich kann nur hoffen, Waldheim, dass man uns einen Fahrer zur Verfügung stellt

Waldheim
Machen Sie sich keine Sorgen, Kronacher

Kronacher

Sollte Oellers darauf bestehen, sich ans Steuer zu setzen, werde ich mich weigern, an der Besichtigung teilzunehmen

Waldheim
Nein, nein Kronacher. Ich denke nicht, dass die Herren Oellers ans Steuer lassen werden

Kronacher
Wenn sich Oellers einbilden sollte, uns an den Tegernsee fahren zu müssen, womöglich, um sich und uns etwas zu beweisen, nach allem was gestern vorgefallen ist, dann werde ich mich weigern mitzufahren. Das sage ich Ihnen klipp und klar, Waldheim. Wenn Oellers erneut fahren will, setze ich mich nicht zu ihm in den Wagen. Der Mann macht mir, ehrlich gesagt, seit einiger Zeit einen eher unzuverlässigen Eindruck. Außerdem, wo bleibt er denn? Er sollte doch längst wieder hier sein

Waldheim
So eine Blutuntersuchung kann sich hinziehen, Kronacher. Das kann dauern. Das kann unter Umständen, länger als eine halbe Stunde dauern. Aber sehen Sie nur Kronacher, wer da kommt?

Oellers humpelt mit einer Hand winkend, mit der anderen auf einen Stock gestützt vom Ende des Ganges kommend auf die beiden zu.

Kronacher
Ich denke, das wird wohl Oellers sein, nicht wahr, Waldheim? Aber Sie müssen entschuldigen. Auf diese Entfernung kann ich lediglich einen Mann erkennen, mit einem Stock. Übrigens, a propos großer Abs. Wussten Sie eigentlich, dass unser alter Oellers katholisch ist. Wussten Sie, dass der Mann bei den Jesuiten gelernt hat?

Waldheim
Der Oellers? Was Sie nicht sagen, Kronacher. Also ich hätte geschworen, dass er Protestant ist. Sein ganzes Auftreten. Diese Ordnungs-, ich möchte fast sagen, Sucht; der Lutheraner als solcher, ich meine, das ist doch auch der Inbegriff des freien deutschen Geistes, der freien deutschen Kunst, nicht wahr. Diese Zügellosigkeit, nicht wahr. Dieses Fliegertum, das Hitzige, das dann so oft im Schnee landet und keinen Fettnapf auslässt, wenn Sie mir folgen können

Kronacher
Selbstverständlich kann ich Ihnen folgen, Waldheim. Wer könnte das nicht?


Vorhang

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