Freitag, 1. Juni 2007
Fortsetzung WHHW?
L U G E R
Mehr! Mehr! Blut! Blut!
Ausziehn! ausziehn!
Aufhängen!
Lappen, Fleisch, Fleisch.

wirft die Manuskriptseiten gegen das Pferd

L U G E R
In der Pause schrie der Liederkomponist
Aufhören! Schluß! Meine Frau
spielt nicht mehr weiter!
Es ist eine Sauerei, eine unmögliche
Sauerei. Abbrechen. Abbrechen.
sammelt die Manuskriptseiten wieder auf

L U G E R
In der Pause wollte der Liederkomponist
der Katastrophe ein Ende machen,
und seine Frau aus dem Spiel nehmen, die im ersten Akt
die dreckigsten Lieder gebracht hat,
und den wildesten Applaus.
Warum?

wirft die Manuskriptseiten ins Publikum

L U G E R
Weil der Theaterdirektor vergessen hatte,
den Namen der Frau auf den Theaterzettel zu schreiben. Deshalb!
Aus keinem anderen Grund!

stellt sich vor dem Pferd auf

L U G E R
Sie haben alle nur den Erfolg gesehen! Sie haben sich nur an den Fanatismus des neureichen Berliner Pöbels gehalten, und ihn für richtig gehalten, und alles andere darüber vergessen.
Das ist die Katastrophe!

umkreist das Pferd

L U G E R
Jeder, der im Saal war, hat alles verstanden!
Die dreisten Lacher, als es hieß, - Hoppla!
Noskes Berliner Polizei, hat wieder zugeschlagen.
Jeder wußte,
wer die Leichen waren

richtet das Pferd so aus, daß es mit Blickrichtung zum Publikum steht

L U G E R
Sie lag im Landwehrkanal, nicht in der Themse.
Es war ein bestialisches Lustspiel
Und jeder wollte dabei sein.
Und mitspielen, und
mitmischen, und seinen
Namen auf dem Theaterzettel stehen sehen,
ganz oben.

versucht das Pferd umzuwerfen

L U G E R
Jeder wollte seinen Fetzen, seine
Lappen herausreißen,
aus der Katastrophe,
bei der jeder gewußt hat,
daß es eine Katastrophe war.

steigt auf das Pferd, benutzt dazu den Flügel

L U G E R
Der Saal hat gekocht.
Alles gröhlt die abscheulichsten
Zoten mit. Alles lacht
über die brutalste Kaltschnäuzigkeit.
Alles haut sich auf die Schenkel,
und grinst mit dem feistesten Gesicht und schreit
Da capo, da capo, wenn der Schlachter
kommt.
Warum?

steigt vom Pferd ab, auf den Flügel

L U G E R
Weil sie sich einbilden, daß der Schlachter
die anderen schlachten wird. Weil sie wußten, daß der Bluthund
damals 1918 die Spartakisten abgeschlachtet hat.
Weil sie die neue Schlachterparodie, den öligen Hagestolz
toll finden,

steigt vom Flügel

L U G E R
wie er da steht,
die perverseste Nutte
unter den Huren,
der für Geld auch kleine Kinder mordet.
Deshalb!

stellt sich unter das more money, more problems Graffiti

L U G E R
Weil sie den Haufen Geld,
den der Schlachter macht,
und weil sie seinen tollen Namen, geil finden

holt den Hocker, setzt sich an den Flügel

L U G E R
Weil sie sich aufgeilen können,
wenn der Schlachter spielt
mit seinem Messer.

steht auf

L U G E R
Weil sie auch gern dieser Schlachter wären,
der Schlachter, oder wenigstens
ein kleiner Schlachtergeselle.
Ein lustiger kleiner Schlachtergeselle im großen Weltpuff.
Lustig - lustig. Mensch iss dat lustich, Männeken! Spitze.
Icke lach mir zu tode.

D U R C H R U F / I N S P I Z I E N Z
Herr Luger, bitte auf die Bühne. Herr Luger bitte

L U G E R
Nein.
Die Katastrophe war lustig,
und es war die Katastrophe, die sie haben wollten.

sammelt die Notenständer ein

L U G E R
Die Hauptdarstellerin, die während der letzten Probe noch die Szene verließ und ihren Auftritt abgesagt hatte, und die Aufführung fast vereitelt hätte, weil sie nicht so lustig sein konnte, weil ihr Mann im Sanatorium verreckt ist, hat Wochen später darauf bestanden, ihre Hauptrolle zurückzubekommen.
Sie hat gesehen, daß die Katastrophe, von der alle dachten, daß sie nie funktionieren würde, weil bei den Proben alles schief gelaufen ist, ein Riesenerfolg geworden ist, und sie wollte ihre Hauptrolle in der Katastrophe zurückhaben.
(Carola Neher starb keine zehn Jahre später in einem russischen Gefängnis, in das sie vor den Nazis geflüchtet ist, mit ihrem zweiten Mann, einem ungarischen Kommunisten.)

greift sich ans Herz

L U G E R
Ich rege mich auf
Ich soll mich nicht aufregen
Ich rege mich aber auf
Es regt mich auf, wie nichts sonst!
Warum?
Warum?
Darum!

stellt die Notenständer in wechselnder geometrischer Figuration

L U G E R
Ein Skandal. Der Welterfolg ist ein Skandal gewesen.
Ein blutiger, mörderischer Irrtum ist ein Welterfolg geworden.
Und er ist nicht wiedergutzumachen. Er hat
Geschichte gemacht.
Und der Welterfolg ist auch
als ihnen klar wurde,
daß er in Wirklichkeit nur eine Katastrophe war,
nicht wiedergutzumachen gewesen.
Der Welterfolg der Dreigroschenoper war nicht wiedergutzumachen.
Der Textdichter hat nach der Uraufführung ein Buch aus dem Irrtum gemacht.
Aber der Irrtum war mit dem Buch nicht wiedergutzumachen,
auch wenn in dem Buch dann gestanden ist,
daß der Schlachter zu jeder Zeit ein Angestellter
und ein Produkt des Kapitalismus ist.

stellt die Notenständer als eine Reihe

L U G E R
Der Textdichter und der Liederkomponist haben einen Film aus dem Erfolgsstück gemacht
Aber die Filmleute haben sich für das Buch nicht interessiert, sondern sich an den Erfolg der Inszenierung gehalten.
Und der Irrtum hat sich fortgepflanzt
Die Katastrophe hat sich fortgepflanzt.
Der Textdichter und der Liederkomponist haben sogar einen Prozeß angestrengt,
um den Irrtum aufzuklären,
und um großkotzig damit herumzuprahlen,
daß ihr Welterfolg nur eine gestohlene Schau gewesen ist,
und daß es ihnen doch scheißegal sei,
das Recht,
weil sie es doch demaskieren wollten,
das Unrecht,
das Eigentum,
die Verhältnisse
und die Herrschaften,
die die Verhältnisse diktieren -

wirft die Notenständer um und dann einzeln gegen das Pferd

L U G E R
Aber der Irrtum hat sich nicht aufklären lassen!
Der Irrtum hat sich nicht aufklären lassen.
Der Irrtum war nicht wiedergutzumachen.
Der Irrtum ist nicht wiedergutzumachen.
Er ist fruchtbarer noch geworden,
als der Schoß eines Virus ( oder: als ein Virus)

greift sich ans Herz

L U G E R
Ich rege mich auf.
Natürlich rege ich mich auf!
Die Katastrophe ist in einen Welterfolg umgeschlagen
Und der Welterfolg hat sich als Weltuntergang herausgestellt
am Ende

stellt das Pferd um, sodaß es quer zum Publikum steht

L U G E R
Es ist den Beteiligten am Ende vom Welterfolg nur
das nackte Überleben übrig geblieben
Es ist von ihren übergeschnappten Kulissenschiebereien nur
die Flucht vor dem Schlachter, das Davonlaufen geblieben.

schlägt mit der Faust gegen den Bauch des Pferdes

L U G E R
Und der Schlachter ist aus dem schlechten Stück herausmarschiert
und hat das Stück abgesetzt

versucht das Pferd um zuwerfen

L U G E R
weil er die Bühne für seine eigene Inszenierung gebraucht hat!

reißt das Brecht-Plakat von der Wand und hält es vor den Pferdekopf

L U G E R
Der Schlachter hat die bejubelte Inszenierung des Mordes
und des Totschlags nicht mehr zeigen lassen,
weil er den Mord und den Totschlag selbst inszenieren wollte, mit Granatwerfern statt Messern und mit echtem Blut. Überall

steigt auf den Flügel

L U G E R
Auf den Straßen,
in den Lagern,
auf den Feldern, die der Schlachter in Schlachtfelder verwandeln wollte

steigt mit dem Plakat auf das Pferd

L U G E R
und die seine freiwilligen Helfer dann in Schlachtfelder verwandelt haben!

sitzt lässig auf dem Pferd

L U G E R
Und die schmierigen kleinen Haienfische sind von den neuen Granaten, die der Schlachter für seine Inszenierung bestellt hat, zerfetzt worden,
oder sie sind den Menschenjägern in die Falle gegangen.

betrachtet das Brecht-Plakat, das er in beiden Händen hält

L U G E R
Jeden Kommunisten, den sie erwischt haben,
haben sie erschlagen,
jeden Juden,
der ihnen in die Hände gefallen ist,
haben sie erschlagen,
alles,
was der Schlachter nicht im Regiebuch haben wollte
für sein deutsches Weltreichtheater,
hat daran glauben müssen.

schlägt mit dem Brecht-Plakat gegen den Pferdekopf

L U G E R
Aber sie hätten nicht daran glauben müssen!

wirft das Brecht-Plakat weg, steigt vom Pferd

L U G E R
Aber warum rege ich mich auf?
Es ist zu spät
Es interessiert niemanden
mehr.
hebt das Brecht-Plakat auf, hängt es wieder an die Wand

L U G E R
Herr Ihering, der große Theaterkritiker Ihering, der den Bertolt Brecht entdeckt hat, der ihm den ersten Preis gegeben hat, der in Berlin die revolutionärsten, radikalsten Umstürze auf dem Theater gefeiert hat, der Theaterkritiker Ihering, der mit dem Karl Kraus und mit dem Kortner, mit dem Brecht und mit dem Feuchtwanger bei den Proben gesessen ist und dem ganzen höllischen Spektakel zugeschaut hat, der Theaterkritiker Ihering, der seine kritischen Theaterartikel in den kritischen demokratischen und kommunistischen Zeitungen abdrucken ließ, hat 1933 bei dem Gauleiter von Berlin darum gebettelt, daß der ihn in die NSDAP hineinläßt.
Warum?

(...)
Aus: Was heißt hier Welterfolg?
Stück (1998)

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Freitag, 4. Mai 2007
Zur Sache John Rheinlaender / Weblog-Schauspiel
Nach dem gestrigen Blickpunkt Sport und dem langen Marsch durch das fußballerische Elend der Landeshauptstadt ist es an der Zeit wieder nach vorn zu schaun.
Deshalb wird jetzt das erste Bild des kleinen Stückes
HUNTING JOHN RHEINLAENDER präsentiert werden, sobald die Großbuchstaben rot aufleuchten.

(Edit Achtung Tipp:
LESEN SIE DEN GANZEN BEITRAG UND DANN DIE KOMMENTARE, BEVOR SIE DAS STÜCK ANKLICKEN, LOHNT SICH!)

Dies wird der Fall sein, sobald Grandmaster stephanel sowohl Zeit als auch Muse findet, das hier zu lesen und dann den noch offline geladenen Beitrag dem entsprechend zu verlinken, weil ich da erstens momentan überfordert bin und zweitens den grandmaster hiermit auch noch darum bitte, die Szene bzw. einige der darin vorkommenden Schlüsselbegriffe sozusagen mit ebenfalls verlinkten Bildern zu illustrieren, um sozusagen die dramatische Form des Stückes at the state of the art of weblogging deutlich zu machen.

Ich hoffe, das ist nicht zuviel verlangt, aber mich würde das den ganzen Tag kosten.

Ich bin überzeugt, dass der grandmaster die richtigen Bild-Motive finden wird und möchte ihm dazu auch nur zwei Hinweise geben, nämlich sich erstens durchaus nicht zurückzuhalten bei der wenn möglich exakten Illustration dessen, was an explizit lyrics for adults only vermittelt wird, und zweitens tatsächlich schmutzige Bilder zu verlinken, keine schmutzigen Filme, denn die lenken den Leser zu sehr ab.

Schön fände ich auch wenigstens ein Bild vom Schauplatz, damit auch jeder sieht, worum es in dem Stück so geht.

So. Und bevor das kleine Drama beginnen kann, geht erst mal ein anderes kleines Drama los und das heißt:
Warten auf – stephanel

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HUNTING JOHN RHEINLAENDER – ERSTES BILD
1. VOR DEM BAYERISCHEN LANDTAG

John Rheinländer steht vor dem bayerischen Landtag. Er filmt mit einer Videokamera zuerst in die Flucht der Maximilianstraße, dann das Maximilianeum.


Quelle: www.bayern.landtag.de

Neben ihm sitzt ein junger Mann, der die Zeitschrift Vanitiy Fair liest und versucht, sich ein headset aufzusetzen (oder Heroin in den Hals zu spritzen). Rheinlaender, mit seiner Filmaufnahme des Maximilianeums beschäftigt, scheint ihn nicht zu beachten. Der Junge Mann stöhnt kurz auf.


RHEINLAENDER
Die Idee der Dokumentation ist eine junge Idee. Aber das kannst du nicht wissen. Du interessierst dich für Mädchen, für Muschis. Bist ein guter Junge. Du interessierst dich für deine Ausbildung. Du willst weiter kommen, einen ehrlichen Beruf. Du hast keine Zeit.
Deshalb muss ich es dir sagen.
Die Idee der Dokumentation ist eine junge Idee. Eine echt junge Idee. Ich habe mich damit beschäftigt. Mich beschäftigen solche Fragen. Ich will das wissen. Du weißt, was ich meine, Junge.
Ich bin dahinter.
So wie du hinter den Muschis her bist. So bin ich dahinter her.
Verstehen wir uns?
So wie du daran interessiert bist, dass dir ein Mädchen den Schwanz lutscht, so bin ich an den Ideen interessiert.
Es interessiert mich eben.

JUNGE
Scheiß drauf, Mann!

RHEINLAENDER
Scheiß drauf! Du sagst, Scheiß drauf! Mann! Verstehe, mein Junge.
Du sagst mir, Scheiß drauf, Mann, weil du dich nicht damit beschäftigst.
Weil es dich nicht interessiert.
Weil dich eben andere Sachen interessieren.
Muschis



dein Arbeitsplatz
deine Möglichkeiten im Beruf.
Du interessierst dich für Fortbildungskurse.
Das ist es, was dich interessiert

JUNGE
Scheiß drauf, Mann! Scheiß auf deine beschissenen Ideen.

RHEINLAENDER
Es sind nicht meine Ideen, (mein) Junge.
Ideen kann man nicht in Besitz nehmen. Es gibt niemanden,
niemanden auf der Welt, der eine Idee besitzen kann.
Aber das kannst du nicht wissen, weil du dich nicht damit beschäftigst.
Weil du ein guter Junge bist, der Mädchen ficken will.
Der sich bemüht. Der sich aus eigenem Antrieb um Fortbildungskurse bemüht.
Ich sag dir was. Das ist gut, mein Junge. Das ist sehr, sehr gut.

JUNGE
Ideen! Oh Mann. Scheiß doch drauf! Keine Ahnung, Mann!
Keine Ahnung, was du laberst.

RHEINLAENDER
Mach dir keine Sorgen, mein Junge. Keine Angst. Du bist goldrichtig.
Du schaffst es.
Da bin ich mir ganz sicher. Glaub mir.
Aber hör mir zu.
Was ich dir sagen will. Es stimmt. Ich habe mich damit beschäftigt.
Die Idee der Dokumentation ist eine junge Idee.
Die meisten Leute glauben, die Idee der Dokumentation sei alt.
Sei so alt wie die Menschheit. Aber das ist ein Irrtum.
Es ist ein Fehler, das zu denken.
Richtig ist, dass die Idee der Dokumentation eine junge Idee ist, keine alte.
Richtig ist, dass die Idee der Dokumentation relativ neu ist,
blutjung, wenn du so willst.
So blutjung wie die Muschis, die dich interessieren, weil du daran interessiert bist, am liebsten blutjunge Muschis zu ficken.



Habe ich nicht recht

JUNGE
Scheiße, Mann. Scheiß drauf.
Scheiß doch auf deine beschissene blutjunge Idee.
Was soll diese Scheiße.
Wieso erzählst du diese Scheiße mit diesen beschissenen blutjungen Muschis.

RHEINLAENDER
Das ist die Logik, (mein) Junge. Ich erkläre dir nur die Logik.
Ich möchte, dass du das verstehst.

JUNGE
Scheiße Mann. Scheiß-Logik Mann.

RHEINLAENDER
Darf ich dich etwas fragen, mein Junge?

JUNGE
Scheiße Mann. Wenn du meinst.

RHEINLAENDER
Was bist du von Beruf? In was für einem Beruf bist du tätig?

JUNGE
Was für ein Beruf. Scheiße, Mann. Ich bin Weblogdesigner.

RHEINLAENDER
Weblogdesigner.
Das ist gut mein Junge. Ein guter Beruf.
Mit Zukunft.
Weblogdesigner ist ein guter Beruf für einen guten Jungen.

JUNGE
Scheiße, Mann! Ja.

RHEINLAENDER
Du hast dir einen Beruf mit Zukunft ausgesucht. Das ist gut, mein Junge.
Die Arbeit als Weblogdesigner wird dich befriedigen.
Du wirst jede Menge Muschis ficken.



Davon kannst du ausgehen.
Und weißt du warum?
Ich denke, dass du wirklich ein guter Junge bist.
Ich denke, dass du hart arbeitest, und dass du jeden Fortbildungskurs besuchst, der für dein berufliches Weiterkommen wichtig ist.
Ich denke, dass du genau weißt, was du willst, und dass du alles tust, was nötig ist, damit du die Ziele erreichst, die du dir setzt.
Und deshalb mein Junge, sage ich dir, dass du dir keine Sorgen machen musst.
Du bist gut. Du wirst es schaffen.
Du wirst kein Problem damit haben, Muschis zu ficken,
oder einen geblasen zu kriegen, je nachdem, was dich mehr interessiert

JUNGE
Scheiße, Mann. Ja. Die beschissenen Muschis sollen sich von mir aus ins Knie ficken. Diese Scheißmuschis interessieren mich einen Dreck. Einen Scheißdreck interessieren mich diese Scheißmuschis.

RHEINLAENDER
Richtig, mein Junge.
Du hast Recht.
Ein guter Junge, wie du einer bist, der erreicht, was erreichen will.
Aber eines solltest du nicht vergessen, mein Junge. An eines solltest du denken. Hör zu. Die Idee der Dokumentation ist eine junge Idee.
Das ist wichtig, mein Junge.
Auch wenn du es jetzt, hier, in der Situation, in der du dich befindest, nicht verstehen kannst, weil du dich wahrscheinlich die meiste Zeit mit deinen beruflichen Anforderungen als Weblogdesigner beschäftigst und damit, wie du deinen Schwanz in genau die Muschis kriegst, die dich interessieren.
Es wird der Tag kommen, an dem du verstehst, was ich dir gesagt habe.
Glaub mir, mein Junge. Es kommt der Tag, an dem du einsehen wirst, dass die Idee der Dokumentation eine junge Idee ist.

JUNGE
Scheiß drauf, Mann. Scheiß einfach, auf deine beschissenen Ideen.
Was machst du hier überhaupt?

RHEINLÄNDER
Ich filme das Maximilianeum. Wir stehen vor dem Maximilianeum, mein Junge. Hier tagt der bayerische Landtag.


Quelle: www.bayern.landtag.de

JUNGE
Scheiße Mann. Und das nimmst du auf?

RHEINLÄNDER
So ist es.

JUNGE
Mann, Scheiße. Warum?

RHEINLÄNDER
Es ist das Maximilianeum.

JUNGE
Und du kannst das?

RHEINLÄNDER
Sicher mein Junge. Stell dich da hin

(Der junge Mann stellt sich zwischen Rheinlaender und das Maximilianeum)

JUNGE
Und das nimmst du jetzt auf?

RHEINLÄNDER
Sicher, mein Junge. Erzähl mir was über Muschis, die du ins Knie ficken willst.

JUNGE (beide Arme in Siegerpose nach oben reißend, hüpfend)
Ich bin der beste Weblogdesigner der Welt.
Ich bin der beste Weblogdesigner der Welt.
Und morgen fahre ich nach Berlin. Ich habe einen super job in Berlin Mitte
Sie nennen es Arbeit
Und wer bist du?

RHEINLÄNDER
Lange Geschichte, mein Junge.
Lange Geschichte. Sagen wir so.
Kennst du den deutschen Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber? Er lebt in Toronto. Ich helfe ihm, sein Heimweh zu ertragen.


Quelle: www.stern.de/©AP

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Mittwoch, 18. April 2007
WITWEN MONOLOG
Farbphotograpie (Schröder&Kalender)
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(...)Der Schlafplatz, eine kleine Senke, vielleicht ein Bombentrichter. Jedenfalls, Daggi sagte, Uschi sagt nä!, da leg ich mich nicht hinein. Dort ist es mir zu schmutzig, genau. Sie wollten lieber gleich hinüber ins Foyer, als zwischen diesen Filmkulissen unter Leichenbergen rumzukriechen. Es hat gerochen übrigens. Ich meine nicht nur auf der längst verfaulten Bühne dieses sogenannten Volkes. Oh oh. Das war nicht angenehm. Und drüben im Foyer erwartet uns Berlin-Journaille, komplett versammelt, hieß es. Plus ihrer Speichelleckerbanden, diesen Turnschuh- und den T-Shirtmarkenhändlern, hieß es. Ganz großer Auftritt also. Vor einem Haufen neuer deutscher Mitte. Acht von zehn natürlich Damen und Herren Künstler. Na ja, wohl eher Komiker der feinen Leute. Wie das so ist in dieser Zeit. Sehr lustig eigentlich. Natürlich nur besoffen zu ertragen, oder auf andre Weise weggeschossen. Wie diese Leutchen da, mit ihrem antrainierten Blick der Raserei, nach vorn, in ihre Zukunft starren mussten, dumpf darauf hoffend, dass eine Kamera sich endlich ihrer erbarmt, oder ein Turnschuhmarkenhändler, dieses dauernde Kichern, erbärmlich. Aber lustig. Man läuft ein, ist kaum an der Bar und um einen rum sofort Trauben triefender Medienuschis. Schon komisch, wie gern sich Menschen unterwerfen. Es ist entsetzlich, japste Daggi. So entsetzlich witzlos, das Letzte – Und Kunst. Daggi wollte weg. Sofort! Ins Hotel zurück. Daggi schrie nach dem Taxi, viel zu hysterisch für zwei Uhr früh, und er? Er sagt nur, entschuldigt mich Leute, was hier los ist, das seht ihr, showtime und bitte, ihr kümmert euch um das Geschäft und seid lieb, ja? Er selbst muss nämlich verschwinden. Aha.

Farbphotographie (Schröder&Kalender)
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So ein Treffen mit Albert. Mal wieder der Bauplatz, die ganz große Sache, endwichtig, endgeheim. Und tschüssikowsky Uschi, Daggi, Schatz. Uh, wie das nachklingt. Ach ja, und vergesst nicht, die Handküsse für die Galeristen! Die alten Witze über Banken, Kriegsverbrecher, den Senat. Ihr macht das schon. Mehr war letztlich nicht. Mehr kann ich dazu im Moment auch nicht sagen. Wir waren auch völlig am Ende, geschafft irgendwie. Auch am darauf folgenden morgen. Ich weiß noch: Geschrei weckt mich auf. Eine fremde Uhr liegt neben dem Bett. Dazu: Hier ist das Morgenradio, es spricht die dumme Stimme Brandenburgs. Und es stank, wie gesagt. Die ganze Stadt hat sehr gestunken. Hundekot auf märkischem Sand, sehr ekelhaft. Es ist dieser Mann gewesen, glaube ich. Hat ihn einfach totgeschlagen. Dann hat er ihn in dieses Rohr geworfen. Besiegt. Verloren. Aus vorbei. Das arme Schwein.

Wir kamen aus New Jersey. Wir waren zu viert, fast sechs Jahre. Wir lebten zusammen als Gruppe, schwach verbunden. Die Daggi, die Uschi und er. Und ich. Die futuristischen Zigeuner. Das Schlimme ist, manchmal verfolgen mich Begriffe dieser Zeit. Unterreichen, kannst du mir das bitte unterreichen? Wie findest du das, Vernichtungswille? Wie soll man da antworten? Wen sollte das provozieren? Oder: Wenn du nichts sagst, ist es auch gut. Vielen Dank, denn ich meine, als Zwerg, was will man den Riesen vorwerfen? Dass sie so groß sind? Oder: Was er hier tue, mache. Er verstecke sich. Nein, nicht krank, nur so betrunken. Keine zehn Pferde brächten ihn da raus. Er wisse doch, das sei doch klar, so nicht, nie mehr - Zur Not die ganze lange Nacht. Wenn man ihm wirklich helfen wollte, dort drüben, neben den Skulpturen, stünden die Getränke und so weiter. Und Kippen oder eine warme Decke, wenn die ihm jemand bringen könnte. Die Frau jedoch soll bleiben wo sie ist, bei ihren handgemalten Kindern. Ach du meine Güte. Das war Berlin. Genies werden in Kitas ausgerottet, spätestens in der Leistungsschau. Was davon übrig bleibt ist nur die Ironie einer Geschichte: Verdienstkreuz für die Frechheit, sich Direktoren, Redakteure, Bänker wo immer und zu jeder Zeit zurechtzusaufen, alles zu verlangen, auch eine dritte Scheidung, Papstaudienzen, städtische Großprojekte, vollkommene Verblödung sozusagen, regredieren, wie es Daggi nannte, regredieren für cash.(...)


Farbphotographie (Schröder&Kalender)
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Aus: WITWEN MONOLOG
Hörspiel WDR, US 04/2006
Bilder: THE GREAT GATE

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