Freitag, 31. Oktober 2008
Also sprach der Kritiker von WEISSGARNIX
Zitat WEISSGARNIX: „Die laufende Dividende aus einer Aktie dient in der Mehrzahl der Fälle der Bedienung irgendwelcher Zahlungsverpflichtungen, die mit dem Erwerb dieser Position eingegangen wurden: bei Pensionsfonds und Lebensversicherungen den laufenden Renten- und Schadensfallzahlungen, bei Investmentfonds der Bedienung von Auszahlungswünschen, bei Hedgefonds und industriellen Investoren der Bedienung von mehr oder weniger klassischen Krediten. Und selbst bei vielen Privatinvestoren werden mittels dieser laufenden Erträge Zahlungsverpflichtungen abgedeckt, etwa die des täglichen Lebensunterhalts.“ Zitat Ende

Das ist wohl das Argument, und es besagt eigentlich nur, dass die Dividende zur Stützung der unter dem nun schon fast ein Jahr andauernden Deleveraging leidenden assets beiträgt und deshalb ihre Ausschüttung vom Staat nicht unterbunden werden sollte.

Okay. Ich bin kein professioneller Buchhalter, sondern kenn mich nur in politischer Ökonomie a bisserl aus, und ich lass mich natürlich gern auch eines Besseren belehren, Herr Weissgarnix aaaahaber:

Wenn man davon absieht, dass die Revenuen aus Dividenden in der Regel nur zu einem Drittel zur Finanzierung der laufenden Investments verbucht werden, zwei Drittel jedoch als Rückstellungen oder Sondervermögen verwaltet werden, oder völlig unabhängig des von Dir, weissgarnix angeführten Schuldendienstes der Kapital-Eigner Verwendung finden, hättest du immerhin ein Drittel recht.

Da du freilich über diesen jeweils firmeninternen, buchhalterischen Sachverhalt hinaus ferner auch noch davon absiehst, dass die von den per Bailout subventionierten Instituten ausgeschütteten Dividenden im auch für dich günstigsten anzunehmenden Fall nur in zwei von drei Fällen auch wirklich an Aktionäre bezahlt werden, die diese Dividenden so wie von dir geschildert zur Finanzierung ihrer als Aktiva gehaltenen „Forderungen“ nutzen, weil eben nur maximal zwei Drittel dieser von den fraglichen Dividenden „betroffenen“ Aktionäre in den von dir genannten Fonds und Kapital-Gesellschaften tatsächlich involviert sind, wird auch dieses letzte dich ins Recht setzende Drittel deiner Argumentation hinfällig.
Ergebnis: Du hast also nicht mal ein bisschen recht, weissgarnix. Dein Plädoyer gegen Restriktionen des angebotsorientierten Kapital-Marktzirkus ist – wie man hier in München sagen würde – zwar auf den ersten Blick bestechend, aber nach näherer Betrachtung des forschen, ebenso süffisant und keck wie sachverständig anmutenden Vortrags und anschließender reiflicher Überlegung am Ende dann doch für die Katz, mit Verlaub gesagt und ohne den weissgarnix kränken zu wollen.


Was aber – und das macht das Plädoyer dann doch interessant – ist denn so falsch an dem Argument? Das habe ich mich etwa eine Stunde lang gefragt indem ich mir diese eine Stunde lang ein mögliches Gegen-Argument nach dem anderen überlegte, bis ich endlich auf den Gedanken kam, dass das ja völlig sinnlos ist. Was an einem Argument falsch ist lässt sich nämlich nicht mit Gegen-Argumenten erklären, sondern wird nur klar, wenn man sich mit der Argumentation richtig beschäftigt und sie sich vernünftig auseinandersetzt. Kaum wusste ich diesen eigentlich uralten, aber offenbar verschütteten Grundgedanken des wissenschaftlichen Vorgehens wieder, schon sah die Sache anders aus und die Frage was am Argument von weissgarnix falsch ist, war keine Frage nach einem richtigen Argument, das gegen das erwiesenermaßen unrichtige gesetzt werden könnte, um durch den anschließenden Vergleich beider Argumente schlussendlich die Erkenntnis zu gewinnen, wie und weshalb das Unrichtige unrichtig und was genau an ihm falsch sei. Die Antwort war viel einfacher, nämlich eben keine Sache der theoretischen Reflexion, sondern der praktischen Auseinandersetzung mit der Sache. Und die Sache ist eben in diesem Fall die Auseinandersetzung selbst.

To make a long story short: Die Antwort darauf gibst du selbst, weissgarnix, indem du in deinem Plädoyer gleich nach der oben zitierten Passage eine komische Frage stellst, nämlich die: Was wäre, wenn die Aktien von Banken, die auf staatliche Kapitalzuflüsse angewiesen sind, von ihren Besitzern verkauft werden und damit an Wert verlieren und deshalb in noch größerem Umfang verkauft werden und noch weiter an Wert verlieren und so fort?

Das scheint für den weissgarnix offenbar der entscheidende Gesichtspunkt zu sein und es ist aber doch nur eine wirklich komische Frage. Warum?

Darum: Weil eben dieses Szenario sinkender Aktien- und Wertpapier-Kurse von dir in der Fragestellung in den Konjunktiv gesetzt wird, obwohl das Szenario doch keine Option, sondern einen realen Sachverhalt verdeutlicht, der als nicht nur von dir, sondern auch vom „Markt“ und eben auch von den Herren Paulson und Bernanke seit der Lehman-Pleite akzeptierter Befund zudem den Grund und die Notwendigkeit der staatlichen Intervention geliefert hat. Aus Spaß an der Freude ihrer Gegner werden sie nämlich nicht beschlossen haben den halben Bankensektor unter die staatliche Kandare zu nehmen.

Aber zurück zur Sache weisgarnix: Die Frage ist deshalb komisch, weil sie eben so widersinnig wie explizit unlogisch von der a. a. O. von dir selbst als falsch weil widerlegten Annahme ausgeht, dass das Deleveraging entgegen der nicht nur in diesem Blog gegebenen Erklärungen nicht als Bedingung der Möglichkeit des Bailouts erkannt wurde, sondern vielleicht eine Folge der staatlichen Spritzen bzw. der sie flankierenden Restriktionen des Kapital-Gewinnausschüttungs-und-Verwertungs-Geschäfts sein könnte.

Die an sich schon kuriose Frage, was wäre, wenn der Wertverfall nicht nur ein empirisches Faktum, sondern auch das Gegenteil, nämlich ein hypothetisches Ereignis sein könnte, wird sogar richtig gehend absurd auf die Spitze getrieben durch die unvermittelte Erfindung eines kausalen Zusammenhangs zwischen Dividendensperre, Rekapitalisierung der Banken, Ertragswertminderung der assets und dem massiven Verkauf entsprechender Aktien durch ihre Eigentümer, was sich im Originalton im Weissgarnix-Plädoyer dann so anhört:

"Wenn nun aber Investoren massiv Aktien abgeben, weil aus denen kein laufender Ertrag mehr zu erzielen ist, etwa weil man die Rekapitalisierung mit einer Dividendensperre verbindet, was hätte man dann insgesamt gewonnen? Zitat Ende

Ja eben. Was gewinnt man in der Argumentation, wenn man die Tatsachen einfach so unvermittelt negiert und mit den schon mal selbst getroffenen Schlussfolgerungen auch die Logik kurzerhand auf den Kopf stellt?


Zitat wgn: „Nichts!“

Das ist wohl wahr.

Aber halt. Der Sinn der umständlichen Fragestellerei war ja nicht, hier blöde Witze auf Kosten von Weissgarnix zu machen, sondern herauszufinden, was an dem wgn-Argument denn falsch ist. Bislang hat sich nur gezeigt, dass sich die Argumentation in eine Reihe in sich widersprüchlicher und kontrafaktischer Aussagen auseinander nehmen lässt. Was aber ist jetzt genau falsch am Argument? Weissgarnix verrät es uns am Ende seiner Ausführung, wenn er, was er vermitteln will in einem Satz zusammenfasst:

Zitat WGN: „Diese Verkaufswelle würde die Vermögenspreise erst recht implodieren lassen, man hätte sich diesen ganzen Bailout also gleich ganz schenken können.“

Was soll das heißen „erst recht“? Als ob die spätestens seit September 2008 de facto implodierten Gewinnerwartungen öfter als einmal implodieren könnten, womöglich nach ihrer faktisch erfolgten Entwertung auch noch de jure oder womöglich auch theoretisch noch mal entwertet werden, als implodierende Implosionen, die dann Verluste in Gewinn umschlagen lassen, wer weiß? Ich weissesnicht, was weissgarnix damit meint!
Und es soll womöglich auch nur heißen, und ich fürchte prof.sinngemäß: Der Staat wäre verantwortlich, weil seine mit Gläubigerschutz-Sicherungsmaßnahmen ausgestatteten Bailouts die negativen Effekte der allgemeinen Vermögenswertminderung verstärken, die gleich wieder woher kommen? Aus der vom Staat beschlossenen Einschränkung des Rechts der Banken über ihre liquiden und in Anlagevermögen gebunden Mittel frei und kraft eigener unternehmerischer Willkür zu verfügen...
So nämlich lautet der alte Refrain des immer grünen Schlagers vom Segen der möglichst deregulierten freien Marktwirtschaft, den der weissgarnix mitsingt, aber so klingen will, als sei er gar nicht einverstanden, sondern hätte etwas dagegen.
Hat er aber, wie gezeigt, überhaupt nicht.
Bis der nächste Bailout fällig wird, weil die aktuell spendierten Milliarden nach allen Regeln der Kredit-Verbriefungs-Kunst in plötzlich illiquide Absatzmärkte verschossen sind. Dann beißt sich dann die marktliberale Katze wieder einmal mehr in den Schwanz.

Was diese Herumargumentierei hier soll?

Das geht doch auf den Sack!

Genau!
Diese leidige und auch sehr alte Frage nach dem richtigen Umgang mit den Dividenden wird in den kommenden Wochen noch ganz anders auf den Sack gehn! Und wann, wenn nicht am Totensonntag, ergibt sich schon mal die passende Gelegenheit, sich – wenn auch nur ein wenig – vorzubereiten.

Das ganze Plädoyer auf der homebase von WEISSGARNIX steht dann hier:

http://www.weissgarnix.de/?p=663#more-663

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