Montag, 14. Mai 2007
HERR HASE
oder wie auch immer ich den freundlichen Herrn Inspizienten nenne, der in der hiermit also fortgesetzten Reihe "Hinter den Kulissen" der Bayerischen Staatsoper aka Nationaltheater heute sozusagen die Rolle des Erzählers, Kolporteurs, Informanten übernimmt, um den aktuellen Beitrag ausnahmsweise mal mit einer so genannten Kunst-Figur einzuleiten, jener Herr Hase also erklärte mir am Samstag abend, also vorgestern während der großen ersten Umbaupause der berühmten Strauß-Oper DER ROSENKAVALIER, dass die handschriftlichen Aufzeichnungen, die mir in seinem Partitur-Buch aufgefallen waren, tatsächlich bis ins Jahr der ersten Münchner Aufführung des ROSENKAVALIER im Oktober, November – schlagen Sie mich tot 1927? zurückreichen – und bevor ich Herrn Hase fragen konnte, ob das denn üblich ist, dass die Geschichte der inzwischen wohl weit über 150 Aufführungen und mindestens drei Neuinszenierungen allein schon zum Beispiel der Oper DER ROSENKAVALIER in der Bayerischen Staatsoper tatsächlich über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte von Inspizient zu Inspizient, von einer Generation zur nächsten sozusagen immer in demselben Partitur-Buch überliefert werden würde, wies mich Herr Hase darauf hin, dass die Uraufführung des ROSENKAVALIER von Richard Strauss in Dresden von dem berühmten Felix Mottl dirigiert wurde, der Jahrzehnte davor schon alle drei der in München uraufgeführten Opern Richard Wagners sozusagen federführend dirigiert hatte und der dann am Ende tatsächlich auch in München, im Nationaltheater, dort am Dirigentenpult stehend inmitten einer Oper völlig unerwartet für alle starb – ohne sozusagen den Schlussapplaus abzuwarten, wie Herr Hase, seines Zeichens nicht nur Inspizient, sondern auch Ironiker ohne dabei auch nur mit der Wimper zu zucken, bemerkte.

Insgesamt, so Hases Auskunft, sind in München seit Bestehen der Staatsoper drei Dirigenten während einer Vorstellung und in Ausübung ihres Berufes verstorben.

Nach dem berühmten Felix Mottl hat es auch einen gewissen Josef Keilberth erwischt, der auch tot zusammenbrach bevor der Schlussvorhang planmäßig fallen sollte.

Und auch der Musikkennern selbstverständlich geläufige und weltbekannte Stardirigent Guiseppe Patané starb während er in München eine Oper dirigierte. Freilich, so beschrieb es Herr Hase, nicht sofort, sondern Patané wurde, nachdem er am Dirigentenpult den Taktstock führend völlig unerwartet zusammengebrochen war von den zwei ersten Cellisten noch aus dem Orchestergraben hinaus auf den Sologang geschleift. Dort jedoch kam jede Hilfe zu spät, der Theaterarzt konnte nichts mehr retten, nur mehr den Tod des weltberühmten Dirigenten feststellen, und die ganze Angelegenheit muss erschütternd und ein echtes Drama gewesen sein, sagte Herr Hase, der den Tod des Guiseppe Patané seinerzeit in unmittebarer Nähe, nämlich von seiner Inspizientennische aus sozusagen live miterleben musste.

Ich könnte hier jetzt noch lange weiter erzählen. Zum Beispiel über einen Wagnertenor aus Finnland, den ich persönlich in der Münchner Staatsoper auf offener Bühne kollabieren sah, oder über eventuelle Besonderheiten des Herrn Hase und die Inspizienz im Allgemeinen, aber vorgestern abend hat mich der Münchner Musikkritiker Mr M.P. angewiesen, die nächste Geschichte aus dem Bauch der Kultur doch wenn möglich knapp und kurz zu fassen, am besten so gerafft wie im Comic-Strip. Und deshalb ist hier jetzt einfach mal Schluss.

Ich hoffe jetzt natürlich, dass wenigstens der Mr M. P. diesen Beitrag auch gern gelesen hat, obwohl er die Geschichte von den drei Dirigenten, die die Münchner Oper bislang auf dem Gewissen hat, natürlich schon seit Samstagabend kennt. Wer freilich gerne mehr erfahren hätte, muss sich jetzt mit folgendem Nachtrag vertrösten und dann eben googeln.

In memoriam
Felix Mottl (1911, ?)
Joseph Keilberth (1968, Tristan und Isolde)
Giuseppe Patané (1989, ?)

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